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letzte Änderung 08.12.2011
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Der "un-heimliche" Krieg gegen die Mullahs

Hintergrund 02. Dezember 2011
Der "un-heimliche" Krieg gegen die Mullahs



In der ersten Novemberhälfte 2011 veröffentlichte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA einen Bericht, in dem sie den Iran erstmals offiziell beschuldigte, an einem Nuklearprogramm zu militärischen Zwecken zu arbeiten. Spekulationen über einen israelischen Militärschlag gegen den Iran schossen daraufhin in Europa aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen.


In Israel, wo die Ambitionen der Islamischen Republik Iran bereits seit einem Jahrzehnt Dauerthema sind, bemühten sich die politischen Entscheidungsträger krampfhaft - und nicht immer erfolgreich -, die erklärte "Politik der Uneindeutigkeit" beizubehalten. Einerseits will Israel nicht durch unbedachte Drohungen einen Krieg vom Zaun brechen. So wird Vizepremier Silvan Schalom nicht müde zu betonen: "Ich bin für Wirtschaftssanktionen. Sanktionen sind wirkungsvoll." Und: "Die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Westens, den Iran zum Einlenken zu zwingen, sind noch lange nicht ausgeschöpft."


Andererseits wird man aus Israel aber auch niemals den Satz hören: "Ein Militärschlag gegen den Iran kommt nicht in Frage." Ganz bewusst erklären israelische Politiker aller Couleur: "Alle Optionen sind auf dem Tisch!" Man will einen Feind, der sich die Vernichtung des jüdischen Staates Israel ausdrücklich und unzweideutig auf die Fahnen geschrieben hat, niemals in Sicherheit wiegen, noch den Eindruck erwecken, er könne alles ungestraft tun.






In dieselbe Kategorie der Verunsicherungstaktik wird es einzuordnen sein, wenn hochrangige amerikanische Militärs öffentlich bezweifeln, dass Israel die USA vor einem Schlag gegen den Iran wohl kaum informieren werde. Auch von jenseits des Atlantik ist regelmäßig zu hören, man werde "keine Option vom Tisch nehmen". Möglicherweise ist das Stirnrunzeln der westlichen Welt über die Unberechenbarkeit der Israelis ein höchst berechnendes Mittel, den Sanktionen des Westens Nachdruck zu verleihen, weil man selbst aus Sicht des Nahen Ostens entweder ein zahnloser Tiger (Europa) oder ein Tiger kurz vor dem Burn-Out (Amerika) ist. Gerade der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad scheint viel auf die Karte zu setzen, dass dem Westen schlicht die Kapazitäten fehlen, es zusätzlich zu den Einsätzen am Hindukusch und im Irak auch noch mit einem Land von der Größe und dem Einfluss des Iran aufnehmen zu können.


Derweil warnen israelische Politiker und Militärs unisono vor einem Säbelrasseln. Am vorletzten Novembertag befürchtete Ex-Mossad-Chef Meir Dagan zum wiederholten Male öffentlich, ein israelischer Angriff auf den Iran würde zu einem regionalem Krieg führen. Der ehemalige Chef des militärischen Geheimdienstes, Amos Jadlin, schätzt, dass der Iran genug Material hat, um vier oder fünf Atombomben bauen zu können. Deshalb müsse Israel, so Jadlin, gute Beziehungen zu den Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft pflegen, die Einfluss auf den Iran nehmen könnten. Am bedrohlichsten unkte Israels Geheimdienstminister Dan Meridor, es gebe Länder, die Wirtschaftssanktionen verhängten "und es gibt Länder, die auf andere Weise handeln". Allerdings hatte diese Bemerkung einen konkreten Anlass.


Explosion löste sich in Luft auf



Am Nachmittag des 28. November 2011 berichtete die offizielle iranische Nachrichtenagentur "Fars", um 14.40 Uhr Ortszeit habe es in der Stadt Isfahan eine Explosion gegeben. Anwohner berichteten davon, dass Wohnhäuser erschüttert worden seien und sie eine riesige Staubwolke beobachtet hätten. Doch kurze Zeit danach verschwand der Bericht wieder aus dem Internet. Offizielle Vertreter aus Isfahan erklärten den Knall als Teil einer Militärübung, dann war nur noch eine Tankstelle in die Luft gegangen - und schließlich wurde völlig dementiert, dass es überhaupt eine Explosion gegeben habe.


Mittlerweile beweisen Satellitenbilder, dass eine Einrichtung in der Nähe der Stadt beschädigt oder gar zerstört wurde, in der seit 2004 Rohuran in Uranhexafluoridgas umgewandelt wird, das dann von den bekannten Zentrifugen in Natanz angereichert wird. Das Gelände in Isfahan stellt also ein entscheidendes Kettenglied in der Produktion einer Atombombe dar. Und: Die Explosion Ende November in Isfahan steht nicht allein im Raum.


Bereits zwei Wochen zuvor, am 12. November 2011, war südwestlich von Teheran nahe der Stadt Bid Kaneh ein Munitionslager explodiert. Dabei wurden 30 Mitglieder der Revolutionsgarden getötet, unter ihnen Generalleutnant Hassan Tehrani Mokaddam, der "Vater" der iranischen Schihab-Rakete und Leiter des iranischen Raketenprogramms. Wie bedeutend diese Vorgänge aus iranischer Perspektive waren, zeigt die Tatsache, dass die Beerdigung Mokaddams im iranischen Fernsehen übertragen wurde und einer der führenden Geistlichen des Iran, Ali Chamenei, zugegen war. Gegenüber einer iranischen Regierungszeitung meinte der Bruder von Mokaddam, er sei beim Test einer Interkontinentalrakete getötet worden.


Zwei Wochen später offenbarten Satellitenaufnahmen des Washingtoner "Institute for Science and International Security" (ISIS), dass eine ganze Reihe von Gebäuden auf dem Gelände vollständig zerstört worden waren. Brigadegeneral Itay Brun vom israelischen Militärgeheimdienst äußerte vor dem Außen- und Sicherheitsausschuss der Knesset die Vermutung, diese Explosion könnte die Entwicklung und Produktion von Langstreckenraketen im Iran an diesem Ort verzögert oder gar gestoppt haben. Gleichzeitig betonte der israelische Geheimdienstoffizier aber: "Der Iran hat noch andere Entwicklungsmöglichkeiten."


Überraschende Überraschungsangriffe



Wenn man in Israel über Krieg redet und Militärschläge andeutet, stehen diese mit ziemlicher Sicherheit nicht bevor. Alle Überraschungsangriffe des israelischen Militärs der Vergangenheit waren tatsächlich überraschend. Wenn geredet wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es geschieht an einer anderen Front etwas und die Diskussionen sind Ablenkungsmanöver. Oder aber, man befindet sich bereits mitten im Krieg. Und genau das ist anzunehmen.


Zu den kriegerischen Handlungen gehören nicht nur mysteriöse Explosionen, von denen es noch mehr gab, als die hier erwähnten, sondern auch, dass in den vergangenen Jahren mehrere iranische Atomwissenschaftler ermordet wurden, durch Auto- oder Motorradbomben, oder auch durch vorbeifahrende Motorradschützen. Dutzende von Offizieren der Iranischen Revolutionsgarden sind in den vergangenen Monaten bei verschiedenen mysteriösen Flugzeugabstürzen ums Leben gekommen.


Am 13. November 2011 wurde Ahmad Rezaie, Sohn des iranischen Politikers Mohsen Rezaie, tot in einem Hotel in Dubai aufgefunden. Interessant ist dabei, dass gegen Mohsen Rezaie ein Haftbefehl bei Interpol besteht, weil er Leiter der Revolutionsgarden war, als 1994 das jüdische Kulturzentrum AMIA in Buenos Aires von iranischen Agenten in die Luft gesprengt wurde. 85 Menschen waren damals ums Leben gekommen. Bei Ahmad Rezaie deutet jetzt alles auf Selbstmord. Doch iranische Regierungsvertreter äußerten öffentlich die Vermutung, es handle sich um Mord. 2010 war der palästinensische Waffenhändler und Hamas-Vertreter Mahmud Mabhuh ebenfalls in Dubai in einem Hotel ermordet worden.


Ebenfalls Mitte November 2011 gestand der Iran ein, dass ein neuer Computervirus seine Systeme angegriffen habe. Der Datenwurm trägt den Namen Duqu. 2010 hatte ein Virus mit dem Namen Stuxnet schätzungsweise 1.000 Zentrifugen zur Anreicherung von Uran zerstört. Die Zeitung "Teheran Times" betonte, iranische Softwareexperten hätten Duqu im Griff. Alle infizierten Computersysteme seien gereinigt.


Iran beschuldigt "zionistisches Regime"



Während die Explosionen dementiert oder als Arbeitsunfälle hingestellt werden, beschuldigt der Iran im Falle der Morde und der Cyberangriffe ganz offen "das zionistische Regime" und die USA und behauptet, eine Reihe von "Atomspionen" verhaftet zu haben. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak kommentierte die Vorgänge im Iran Mitte November nur mit der trockenen Bemerkung: "Möge es mehr davon geben."


Die Londoner Times zitiert anonyme israelische Quellen, die Explosionen in Isfahan seien "kein Unfall". Generalmajor Giora Eiland, der frühere Direktor von Israels Nationalem Sicherheitsrat, erklärte im Armeeradio: "Es gibt nicht viele Zufälle. Wenn so viel passiert, dann gibt es dahinter eine Art führender Hand. Vielleicht ist es die Hand Gottes?!"


Auch wenn man nicht an die Hand Gottes glauben will, sei Vorsicht geboten, die Sabotageerfolge im Mullah-Staat reflexartig dem Gottesvolk Israel in die Schuhe zu schieben. Ein atomar bewaffneter Iran ist kein ausschließliches Problem des jüdischen Staates. Eine ganze Reihe anderer Mächte weltweit haben ein mindestens ebenso großes Interesse wie Israel, den radikal-islamischen Persern einen Strich durch ihre atomaren Ambitionen zu machen.


Iranische Raketen könnten Berlin treffen



Die schiitischen Machthaber in Teheran sind eine erklärte Bedrohung für die arabischen Sunniten, allen voran Saudi-Arabien, das vor allem im ölreichen Nordosten eine große schiitische Bevölkerungsminderheit beherbergt. Mit der Türkei ringt der Iran um die Vorherrschaft in der islamischen Welt, was zur Zeit vor allem im Überlebenskampf des Alewiten-Regimes in Damaskus deutlich wird. In europäischen Sicherheitskreisen ist man sich zudem im Klaren darüber, dass die erklärten Ambitionen der Mullahs weit über den Nahen Osten hinausgehen und iranische Raketen problemlos europäische Großstädte wie etwa Berlin treffen können.


So droht der Iran nicht nur mit 150.000 Raketen auf Israel und 30.000 arabischen Selbstmordattentätern, die er ausgebildet haben will, sondern Ende November 2011 auch ganz offen mit einem Angriff auf das Raketenschutzschild der NATO, das in der Türkei installiert ist. Infolge des IAEA-Berichts beschloss die EU eine Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Als Großbritannien diese konkret umzusetzen begann, stürmten am 29. November "Studenten" in Teheran "spontan" die britische Botschaft. Zuvor hatte das iranische Parlament beschlossen, den Botschafter Großbritanniens des Landes zu verweisen. Einen Tag später verwies Großbritannien alle iranischen Diplomaten des Landes. Die Konfrontation mit der Möchte-gern-Atommacht Iran gilt also nicht ausschließlich dem jüdischen Staat Israel - wenngleich viele andere mögliche Zielscheiben eines iranischen Angriffs nicht ungern sähen, wenn dieser für sie die Kartoffeln aus dem Feuer holen würde.
Von: Johannes Gerloff (Jerusalem)
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