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letzte Änderung 27.07.2010
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Buchbesprechung - Königin Ranias Kinderbuch

Buchbesprechung: "An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld"







Als Botschafter Israels in Deutschland wurde er "zum meistgerügten Botschafter des
Staates Israel", weil er seine Meinung kaum hinter dem Berg zu halten vermochte.
Das betont Avi Primor selbst (S. 10) und darauf ist er stolz. Jetzt hat sich der 1935
in Tel Aviv geborene Politologe mit einem neuen Buch zu Wort gemeldet.
Unter dem Titel "An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld" betrachtet er,
unterstützt von der Journalistin Christiane von Korff, auf 309 Seiten "Deutschjüdische
Missverständnisse". Genauer genommen waren die beiden deutschen
Klischees und Vorurteilen über "die Juden" im Allgemeinen und "die Israelis" im
Besonderen auf der Spur. Jüdische Missverständnisse im Blick auf die Deutschen hat
das Buch keine vorzuweisen.
Die Macht der Juden - in der Welt, in den Medien, in Amerika und vor allem natürlich
im Finanzwesen - und wie sie diese mit Auschwitzkeule und Auserwähltsein zu
erhalten suchen, wird genauso beleuchtet, wie die Vorwürfe, die Juden hätten Jesus
ermordet und den Bolschewismus erfunden. Die ewigen Fragen nach der neuen
Antisemitismuswelle oder einer Lösung des Nahostkonflikts dürfen im Buch des
Ex-Botschafters natürlich nicht fehlen.





Klischees aufgegriffen




Primors Antworten sind geprägt von einem weiten Horizont und einem weiten
Herzen - ganz besonders für die Deutschen -, aber auch von seinen eigenen
Stereotypen. Dominant sind da die für säkulare Israelis so typischen Vorurteile
gegenüber Siedlern, Religiösen und Orthodoxen und eine gewisse, eher sympathisch
anmutende Blauäugigkeit beim Blick auf die arabische Welt. Das Buch ist lesenswert,
weil Avi Primor seinem Leser nicht nur kritisch-liebevoll die eigene Beziehung zu
Deutschland vor Augen führt, sondern auch einen ausführlichen Blick in Herz und
Seele des säkularen und politisch links gerichteten Teils der israelischen Gesellschaft
gewährt.
Das Buch will ein "Plädoyer gegen falsche Rücksichtnahmen im Verhältnis von
Deutschen und Juden" (S. 11) sein. Deshalb "erlaubt" er Deutschen Kritik an Israel,
nimmt aber auch deren Schlussstrichwünsche und Reparationsgejammer mit
Tatsachen aufs Korn: "Der Überlebende eines Konzentrationslagers mit anerkannter
Invalidität bekam weniger Entschädigung als ein SS-Wächter desselben Lagers mit
gleichem Behinderungsgrad" (S. 123). Zur Frage der Israel-kritischen
Berichterstattung, die außerhalb Deutschlands oft sehr viel herber ausfällt, betont
Primor gleich zwei Mal (S. 49 und 177), "dass die meisten Auslandskorrespondenten
in Israel Juden sind, mit Ausnahme der deutschen Journalisten" - was zu überprüfen
wäre.
Überhaupt geht er mit gängigen Klischees wenig zimperlich um. So konstatiert er
zum Mythos der jüdischen Lobby in Amerika: "Die amerikanisch-jüdischen
Hollywoodproduzenten waren so sehr amerikanische Patrioten, dass der Massenmord
an den europäischen Juden und die qualvolle Mühsal derer, die ihn überlebten,
keinerlei Relevanz hatten" (S. 47). Der Ansicht, Israel hänge am Tropf der USA, hält
er entgegen, der jüdische Staat habe "keine politische Unterstützung oder
nennenswerte Lobbyarbeit der amerikanischen Juden und überhaupt keine
Unterstützung durch eine US-Regierung von 1948, der Entstehung des
unabhängigen Staates Israel, bis in die 1960er-Jahre" erfahren (S. 55). In der Zeit
zwischen 1948 und 1967 hätten die USA "politische und diplomatische Unterstützung
nur sehr bedingt gegeben, wirtschaftliche und militärische Hilfe jedoch gänzlich
verweigert" (S. 56). Und aktuell sollte nicht vergessen werden, dass die "jährlich 2,6
Milliarden Dollar Auslandshilfe" aus den USA "nur auf etwas mehr als ein Prozent des
israelischen Bruttosozialprodukts" kommen (S. 57).






"Alle Völker fühlten sich irgendwann erwählt"




Ganz selbstverständlich stellt sich die Frage nach der Erwählung Israels. Primor
weiß: "Jude zu sein hatte doch immer nur Leiden bedeutet" (S. 216). Er erklärt
seinen nicht-jüdischen Lesern, dass "die Idee vom 'auserwählten Volk' niemals einen
rassistischen Bezug" hatte (S. 191). "Die Juden wurden auserwählt, um der Welt
eine bessere Lebensweise aufzuzeigen, nicht um zu zeigen, dass sie besser seien" (S.
192). Seitenlang zeigt Primor, dass sich fast alle Völker im Laufe der Geschichte
irgendwann einmal erwählt fühlten. Wunsch der Juden aber war es, "als normal
betrachtet zu werden, mit denselben Vorzügen und Fehlern, die man bei allen
Menschen und bei allen Völkern finden kann" (S. 160). Das ging so weit, dass
deutsche Juden dachten: "Nicht die Juden, sondern die Deutschen sind das
auserwählte Volk" (S. 194).
Primor gibt einen einzigartigen Einblick in das Seelenleben der nach der Schoah
geborenen Generation von Israelis, zu der er selbst gehört: "Wir schämten uns für
unsere ermordeten Brüder und Schwestern" (S. 12), weil sie die Frage verfolgte,
"warum die europäischen Juden keinen Widerstand geleistet hatten" (S. 162),
warum sie sich "willig wie die Lämmer zur Schlachtbank hatten führen lassen" (S.
12). "Aber weder vor noch während, noch nach dem Holocaust waren Juden durch
das ihnen angetane Leid geläuterte Wesen - und sie sind es bis heute nicht" (S.
159). "Die Ambition, das Gewissen der Menschheit zu sein, hegen die meisten Juden
seit dem Holocaust weniger denn je" (S. 171).
Wenn es um die Frage der Lösung des Nahostkonflikts geht, hat der israelische
Ex-Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland einiges für seine deutschen Leser
Nachdenkenswerte zu liefern: "Die israelische Besatzung hat andere Ursachen und
Gründe als kolonialistische Ambitionen" (S. 173). Leidenschaftlich betont er: "Wir
Israelis können und dürfen nicht über eine andere Bevölkerung herrschen" (S. 219),
um dann festzustellen: "Die Mehrheit der Israelis wünscht eine Trennung von den
Palästinensern. Wie die Umsetzung der Trennung aussieht, ist ihnen gleichgültig."
(S. 220). An einem Punkt bleibt der friedensbewegte Botschafter aber knallhart: Die
Palästinenser sollen in ein Land ihres Wunsches einwandern dürfen, "nicht aber in
den Staat Israel" (S. 52).
"Der Hochmut, der Stolz, den Sie heute an den Israelis beobachten und der Ihnen
unangenehm vorkommen muss", greift Primor eine gängige Auffassung von
Deutschen gegenüber Israelis auf und zitiert den Schriftsteller Amos Oz: "ist rein
oberflächlich, eine künstliche Übertreibung. Angst ist die große Motivation unseres
Volkes" (S. 276-277). Er fleht um Verständnis: "Wir sind der einzige Staat auf
Erden, der noch nie Frieden erlebt hat und für den Vernichtungsdrohungen zum
Alltag gehören." Deshalb ist der Gedanke "in der Welt isoliert zu sein", so Primor,
"eine uralte Angst der Juden und hat gewisse Verhärtungen und Verkrampfungen zur
Folge" (S. 277). Aus Sicht des Politologen Primor ist "das Sicherheitsbedürfnis" der
Israelis "ein unausweichliches politisches Faktum" (S. 278), das jeder in Betracht
ziehen muss, dem eine Lösung des Nahostkonflikts am Herzen liegt.






Naivität gegenüber Arabern




Diese realitätsnahe Analyse des israelischen Volkes kombiniert er aber mit einem
gelegentlich naiv anmutenden Glauben an den Friedenswillen des einfachen arabischen Volkes. Verzweifelt müht er sich, die religiöse Komponente des
Nahostkonflikts wegzureden. Dabei mag Primor Recht haben, wenn er für die
israelische Seite feststellt: "Die Ultranationalisten, die von göttlicher Verheißung
sprechen und das Westjordanland als biblische Heimat der Juden sehen, auf die wir
niemals verzichten dürfen, befinden sich in der Minderheit" (S. 73). Wenn er dann
aber gleichzeitig meint, dass bei der anti-israelischen Propaganda der Araber "keine
Hakenkreuze oder andere Nazisymbole benutzt" (S. 43) würden, bekennt er
dadurch, dass er zumindest in jüngster Zeit kaum auf der arabischen Seite
unterwegs war.
Die Ansicht, Barack Obama habe mit seiner Kairoer Rede vom Juni 2009 "die Welt
und besonders die islamische Welt beeindruckt" (S. 71), entbehrt genauso eines
handfesten Beleges, wie die Behauptung, die Hamas habe "im Gegensatz zur Al
Qaida gezielte und dringende nationale Interessen" (S. 74). Wie sehr sich Primor
windet, die Gewaltakzeptanz in der palästinensischen Gesellschaft klein zu reden,
wird deutlich, wenn er von "potenziellen Extremisten" schreibt, deren Angriffe die
israelischen Dozenten der Al-Quds-Universität während des Gaza-Krieges zu
fürchten hatten (S. 287). Mit der Behauptung schließlich, "die Mehrheit der
palästinensischen Bevölkerung" würde eine "internationale Armee, die sie von der
Besatzung erlöst, mit Begeisterung begrüßen" (S. 76), erweist sich der Visionär als
Träumer, der spätestens dann zum Albtraum erwachen würde, müsste diese
internationale Armee tatsächlich "in Kooperation mit der palästinensischen
Regierung für Sicherheit sorgen, wenn nötig mit Gewalt" (S. 75).




Avi Primor und Christiane von Korff, "An allem sind die Juden und die Radfahrer
schuld. Deutsch-jüdische Missverständnisse", Piper, München Zürich, 2010





Von: Johannes Gerloff (Jerusalem)










Königin Ranias Kinderbuch







Die jordanische Königin Rania, Frau von König Abdullah, verweigert israelischen Verlagen die Genehmigung, ihr Kinderbuch "The Sandwich Swap" ins Hebräische zu übersetzen. Das Buch, inzwischen auf der Bestseller Liste der "New York Times", handelt allerdings von Toleranz und Multikulti.




Das Kinderbuch erschien im April auf Englisch und im Juni in einer arabischen
Ausgabe. Es wurde für Kinder im Alter zwischen vier und acht Jahren geschrieben.
Der jordanische Königshof habe der israelischen Zeitung "Ha´aretz" mitgeteilt, dass
"die Angelegenheit geprüft" werde.




Lilly zieht das typisch amerikanische Sandwich mit Peanut-Butter hervor, während
Salma lieber ein Fladenbrot mit Hummus, einer typisch arabischen Speise, verzehrt.
Trotz dieses "kulturellen Unterschiedes" lernen beide Mädchen, sich gegenseitig zu
verstehen und bleiben Freundinnen. Doch zuvor kommt es in ihrer Schule zu einem
Kampf um die mitgebrachten Brote, bis sie schließlich ihre Speisen feierlich austauschen.
Die im Buch beschriebene Geschichte gehe auf ihre eigenen Erlebnisse in der
internationalen Schule in Kuwait zurück, erzählte die Königin. Ihre Mutter habe ihr
immer ein Fladenbrot mit Hummus auf den Weg in die Schule mitgegeben. Sie sei
"völlig bestürzt" gewesen, als ihre Freundinnen aus anderen Ländern
Pausenbrötchen mit Erdnussbutter hervorholten.




Um ihr Buch populär zu machen, erschien Königin Rania im Fernsehen bei Oprah
Winfrey und Barbara Walters. Ebenso veranstaltete sie eine Lesung im Hauptquartier
der UNO in New York. Den Erlös aus dem Verkauf des Buches will Königin Rania der
UNICEF spenden, um damit 500 Schulen in Jordanien zu renovieren.





Von: Ulrich W. Sahm







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