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letzte Änderung 20.06.2010
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Überfälliger Widerstand

Überfälliger Widerstand




Von Frauenrechten im Islam und Gesetzen gegen die Burka



aus: pro - Christliches Medienmagazin




1. Islam und Demokratie



Ist die Burka nichts weiter als ein Stück Stoff? Und ist das rituelle Mittagsgebet eine Pflicht für muslimische Schüler? Die Diskussionen über diese Fragen berühren das Demokratieverständnis des Islam.
VON ANDREAS DIPPEL



Der Islam versteht sich nicht nur als Glaubensgemeinschaft, er verbindet seine weltweite Ausbreitung mit territorialen Ansprüchen und legt seinen Angehörigen wie keine andere Religion strikte Regeln auf. Ohne deren Beachtung ist es Muslimen unmöglich, ein allahgefälliges Leben zu führen. Doch schariakonforme Gesetze sind mit den Grundgesetzen und Menschenrechten der westlichen
Staaten nicht in Einklang zu bringen. Der Islam kennt keine Trennung von Staat und Religion. Im Gegenteil, in der .Umma" werden Volk und Glaubensgemeinschaft zusammengefasst. Dieses
grundlegende Konzept des Islam aber können Muslime in Europa nicht ohne Widerstand umsetzen. Zwar gibt es Tendenzen eines "Staates im Staat", weil Integrationsbemühungen scheitern oder Muslime einfach in ihrem Glaubensumfeld eben. Doch in aktuellen Debatten zeigt sich, dass Kritik nicht mehr nur ungehört verhallt.
Nach einigem Zögern und langen Diskussionen nahm das französische Kabinett im Mai einen Gesetzentwurf von Justizministerin Alliot-Marie an, der das Tragen der Burka verbietet. Musliminnen, die ihren gesamten Körper verschleiern und sich so gekleidet in der Öffentlichkeit zeigen, sollen eine Strafe zahlen. Sollte das Gesetz auch das Parlament passieren, würden Verstöße künftig mit 150 Euro oder verpflichtendem Staatskunde-Unterricht
geahndet. Zwingen muslimische Männer ihre Frauen zum Tragen einer Burka, drohen ihnen bis zu einem Jahr Gefängnis und 15.000 Euro Strafe. In Kraft treten könnte das Gesetz frühestens im kommenden Jahr. Bis dahin sind staatliche "pädagogische Aufklärungsmaßnahmen" geplant. Justizministerin Alliot-Marie begründete ihre Gesetzesvorlage so: "Demokratie lebt man mit offenem Antlitz, von Angesicht zu Angesicht, und unter Wahrung der Würde der Frau." Bereits im April hatte das belgische
Abgeordnetenhaus ein Verbot der Burka beschlossen. Damit könnte Belgien das erste europäische Land sein, das die Vollverschleierung der Frau untersagt. Das Verbot soll an allen öffentlichen Orten gelten. Noch aber muss der Gesetzesentwurf
den Senat passieren. Nach Frankreich und Belgien könnten weitere europäische Staaten folgen. Mittlerweile wird auch in den Niederlanden, in Österreich, Dänemark, Italien und der Schweiz über ein Verbot der Burka diskutiert.


Die Zwänge des Islam


Bei einem möglichen Verbot der Burka steht die Pflicht des Staates im Mittelpunkt, undemokratische Zwänge zu ahnden, die dem Grundgesetz widersprechen. Zwar garantieren alle westlichen Verfassungen ihren Bürgern auch die Meinungs- und Religionsfreiheit. Doch die staatlich garantierte Religionsfreiheit darf kein Freifahrtschein für Muslime sein, ihre internen Zwänge und unmenschlichen Vorschriften etwa Frauen aufzubürden. Auch in der Diskussion um das so genannte "Berliner Gebetsurteil" ging es um
die Frage, ob eine im Islam verankerte Vorschrift - nämlich das rituelle Gebet - in einer öffentlichen Schule praktiziert werden darf. Das Berliner Oberverwaltungsgericht wies Ende Mai die Klage eines muslimischen Schülers ab, der in seiner Schule in Wedding sein rituelles Mittagsgebet verrichten wollte - entweder öffentlich oder in einem Gebetsraum. Er darf natürlich beten, aber ein Anrecht auf die Durchführung des Ritus, der für schariatreue Muslime so wichtig ist, hat er in der Schule nicht. Die Richter stützen sich dabei auf ein Gutachten des Islamwissenschaftlers Tilman Nagel, der darauf verweist, dass selbst Mohammed seine Gebete flexibel gehandhabt hat. Die Richter mussten also einschreiten und haben daher einer weiteren Expansionsforderung von Muslimen Einhalt geboten.
Die Schweizer "Weltwoche" widmete sich Mitte Mai ebenfalls dem Islam in Europa - und sorgte mit einem Beitrag für Aufsehen. "Keine Trennung von Kirche und Staat, Aufruf zur Tötung von Ungläubigen,
Mohammeds Massaker an den Juden - ist der Islam mit unserer Verfassung vereinbar?", fragte der Autor des renommierten
Magazins. In seinem Artikel zitiert er ausführlich aus dem Koran, zeigt auf, wie der Islam mit Konvertiten umgeht oder beschreibt, wie die Vorschriften des Imam die Entscheidungsfreiheit von muslimischen Mädchen beschneiden. Seine Antwort auf die Frage ist simpel und enorm provokant: "Nimmt man den Islam und seine Theologen ernst, gibt es nur einen Befund: Der muslimische Glaube ist mit Rechtsstaat und Demokratie nicht vereinbar. Konsequenterweise müsste er verboten werden." Ob diese Einschätzung angemessen ist oder nicht, darüber muss
diskutiert werden. Und zwar mit den Islamverbänden und Imamen - die ohne Umschweife Auskunft geben müssen über ihre Ziele, Vorstellungen von Integration und einem Leben von Muslimen in einer Gesellschaft der Freiheit.







2. "Die Burka bedeutet Leid"




Europa streitet über die Burka, und eine der bekanntesten Islamkritikerinnen Deutschlands mischt mit: Necla Kelek. Im pro-Interview erklärt die Soziologin, warum sie die Vollverschleierung für moderne Sklaverei hält und warum ihr immer mehr Muslime den Tod wünschen.
VON ANNA WIRTH




pro: Im Islamunterricht an deutschen Schulen lernen Kinder den Satz "Islam bedeutet Frieden". Was würden Sie ihnen beibringen?
Kelek: Das ist keine richtige Übersetzung. In dem Begriff Islam steckt zwar durchaus so etwas wie Heil oder Friede drin, genau übersetzt bedeutet er aber Hingabe. Wer sich dem Islam unterwirft, erfährt Heil
und dadurch Frieden. Das gilt aber nur für jene, die den Islam annehmen und seinen Regeln folgen. So würde ich es den Kindern sagen.


Europa diskutiert über ein Merkmal des Islam: Kopftuch, beziehungsweise Burka. Sie sagen, vollverschleierte Frauen "existieren gar nicht als Mensch".


Der Islam ist mehrschichtig. Er ist ein politisches System, ein Ordnungssystem, ein kulturelles System und ein Glaube. Der Islam
ist nicht säkular, er begreift Politik und Glaube als Einheit. Ein elementarer Teil der politischen und kulturellen Identität des Islam ist die Trennung der Gesellschaft in Männer und Frauen. Die Frau soll öffentlich nicht auftreten. Tut sie es doch, soll sie sich verhüllen, zum Beispiel mit einer Burka - sie ist dann unsichtbar und damit nicht da. Die Öffentlichkeit ist in diesem System die Sache des Mannes, das Private weiblich. Die Frau ist Besitz des Mannes. Sie hat dem Mann zu gehorchen, wie sie Gott gehorchen soll.


Dennoch behält sie ihre Identität ...


Eine Identität haben auch Sklaven und Menschen, die im Gefängnis sind. Natürlich steckt in diesem Zelt, der Burka, ein Mensch, aber ich kann ihn nicht erkennen. Ich weiß nicht, wie die Frau aussieht, ob sie eine Bankräuberin oder eine Hausfrau ist. Dahinter steckt eine Ideologie:
Die Frau hat in der Öffentlichkeit nicht das Recht, ein Mensch zu sein. In einer Demokratie verbietet sich das von selbst.


Wenn sie nicht das Recht hat, Mensch zu sein, wird ihr auch das Recht auf menschliche Liebe verwehrt?


Im Koran und den Hadithen kommt Verliebtheit nicht vor. Der Islam sagt, dass Männer und Frauen nicht in der Lage sind, in einem geordneten Rahmen Liebe zu leben. Deshalb sorgen die Älteren dafür, dass die Jüngeren heiraten. Nicht das Individuum entscheidet, sondern die Familien. Romantik hat da keinen Platz.


Und die Hochzeitsnacht in islamischen Ehen bezeichnen Sie als "gesellschaftlich organisierte Vergewaltigung" ...


Wenn ich mit jemandem verheiratet wurde, hat er ein Anrecht auf meinen Körper. Zugespitzt ist das nichts anderes als eine Vergewaltigung. Bei Zwangsverheiratungen und arrangierten Ehen kann es für mich keine Liebe und Freiwilligkeit geben. Zudem hat der Mann im Islam ein Recht auf Sexualität. Im Koran steht: "Die Frau ist dein Saatfeld. Geh auf dieses Saatfeld, wann immer du willst." Dieses Recht nimmt der Mann sich - ob die Frau will oder nicht.


Gibt es Frauen, die sich freiwillig in dieses System begeben?


Freiwilligkeit ist in diesem Zusammenhang keine Kategorie. Gäbe es in Deutschland Menschen, die sagen: "Wir möchten wieder als Sklaven leben", würden wir es dennoch verbieten. Auch Alkoholiker sagen, sie trinken freiwillig. Drogenabhängige zwingt niemand zum Konsum. Der Staat hat eine Schutzfunktion. Er muss garantieren, dass wir in Sicherheit leben können. Und er muss überprüfen, ob die individuellen Entscheidungen einer Person gut für sie und unsere Gemeinschaft sind, oder nicht.


Belgien und Frankreich haben Gesetze gegen eine Burka auf den Weg gebracht, in vielen weiteren EU-Ländern wird darüber diskutiert. Sind Sie für ein Verbot?


Auf jeden Fall. Genauso wie ich für ein Verbot von Drogenkonsum und der Sklavenhaltung bin. Ich arbeite darauf hin, dass diese Unterdrückungsmechanismen verschwinden. Wenn die Frau sich permanent vor den Blicken der Männer verstecken muss, ist sie nichts anderes als ein Sexobjekt. Diese Zeit sollten wir mittlerweile doch wirklich überwunden haben!


Ein Moslem würde sagen, wir wollen die Frau schützen: Wir bildern sie zum Beispiel nicht halbnackt auf Plakaten ab und verhindern damit, dass sie zum Sexobjekt wird.


Frauen, die nackt am Strand liegen oder ihren Bauch zeigen, sind im Islam unrein. Eben weil die Muslime davon ausgehen, dass die Frau ein Sexobjekt ist. Der Grundgedanke ist: Zeigt die Frau sich, kann sich der Mann nicht beherrschen. Das haben wir in Europa aber doch längst überwunden. Ich kann selbst entscheiden, was ich von mir zeigen will und was nicht.


Kritiker des Burka-Verbots mahnen die Religionsfreiheit an. Ist das Tragen der Burka ein Menschenrecht?


Ich finde, die Burka zu tragen hat nichts mit Religion und Religionsfreiheit zu tun. Die Burka ist ein Symbol, und es demonstriert Leid. Christen können gerne Kreuze tragen und zeigen, zu welchem Glauben sie sich bekennen. Das ist ja nicht mit Leiden verbunden, wie das Tragen einer Vollverschleierung. Christen geißeln sich ja auch nicht täglich, um an Iesu Leiden zu erinnern. Und wir müssen differenzieren: Nicht jede Muslimin will eine Burka tragen. Oft sind es kleine Sekten, die den Frauen das abverlangen, etwa die Salafiten.


Wir sprechen die ganze Zeit über die Burka. Wie ist es mit Frauen, die ein Kopftuch tragen?


Auch das Kopftuch ist ein Symbol. Nicht jede Frau trägt es freiwillig. In vielen rnuslimischen Familien ist das Patriarchat noch nicht überwunden, da herrscht keine Demokratie. Ansonsten wäre das Tragen von Kopftüchern für mich auch in Ordnung, jeder soll sich kleiden, wie er möchte. Aber diese Entscheidungsfreiheit haben Frauen im Islam meist nicht. Burka und Kopftuch sind Auswüchse dieser Politik. Wir müssen uns auch die Erziehung von Kindern ansehen. Vermitteln Mütter ihren Kindern das Recht, frei zu entscheiden, ob sie sich verhüllen? Dürfen diese Kinder Buddhisten oder Atheisten werden, wenn sie es wollen? Kinder müssen lernen, was Freiheit ist und wie sie eigenständige Entscheidungen treffen. Wenn das garantiert ist, können wir die Vielfalt der Religionen wunderbar ertragen und müssen uns keine Sorgen machen. Von dieser Freiheit sind wir im Islam aber noch weit entfernt.


Interessanterweise sind diejenigen, die auf Missstände im Islam hinweisen, meist jene, die am meisten unter ihm zu leiden haben: die Frauen. Zu den berühmtesten Dissidentinnen zählen neben Ihnen etwa Seyran Ates oder Ayaan Hirsi Ali. Warum?


Spartacus war auch selbst Sklave. Aus den eigenen Zwängen muss man sich immer auch selbst befreien. Die Wahrheit ist: Wir Frauen müssen uns in unsere eigenen Angelegenheiten einmischen. Alice Schwarzer hat zum Beispiel immer über das Leid muslimischer Frauen berichtet. Im Übrigen sind es meist auch muslirnische Frauen, die uns Rechtsextremismus vorwerfen versuchen, uns mundtot zu machen.


Hat das nicht nachgelassen? Die ganze Debatte über Islamophobie ist doch etwas abgeebbt...


Im Gegenteil. Der Konvertit Pierre Vogel, auch bekannt als Abu Hamza, hat erst kürzlich bei einer Veranstaltung in Biblingen gerufen: "Allah, vernichte Necla Kelek!" Das ist so etwas wie eine Fatwa gegen mich. Die Widerstände werden heftiger. Es gibt islamistische Blogs und Internetforen, in denen dieser Aufruf seit Tagen wiederholt wird. Ates und Hirsi Ali haben genau diese Dinge erlebt und sich deshalb auch zurückgezogen. Es sind nicht mehr viele Frauen übrig, die öffentlich gegen den Islam aufstehen.


Haben Sie Angst?


Nein, aber ich mache mir große Sorgen über die Zukunft, gerade der muslimmischen Frauen. Und ich bin schon etwas verwundert darüber, dass viele, die sonst als Verteidiger der Toleranz auftreten, bei solchen Drohungen vornehm schweigen.


Sie haben selbst einen schwierigen Prozess der Loslösung vom traditionellen Islam durchgemacht. Darin wurde eine Bratwurst zum Freiheitssymbol....


Ich war 18, als ich mich bewusst entschieden habe, an einer Imbissbude eine Bratwurst aus Schweinefleisch zu essen. Mich hat kein Blitz getroffen. Diese Anekdote ist ein exemplarisches Beispiel, eine Metapher. Zum Ausbruch aus dem Islam gehört eine solche individuelle Entscheidung und die Frage: Was passiert, wenn ich etwas Verbotenes tue? Dem Islam geht es nicht um das kritische Hinterfragen des Glaubens, sonders darum, sich darzustellen. Diese Religion lebt von Abgrenzung. Ich habe erst mit 50 über dieses Bratwurst-Erlebnis gesprochen. Das öffentliche Bekennen ist noch schwieriger als die Tat selbst. Die persönliche Gewissensentscheidung wird im Islam nicht geachtet.


Ihr Vater hat Ihre Familie verlassen. In Ihrer Teenagerzeit hat er Ihnen verboten, Schulsport zu betreiben. Seinen Fortgang kommentierten Sie einmal mit den Worten: "Als mein Vater weg war, haben wir gefeiert."


Die Väter sind durch die islamische Geschlechterideologie dazu legitimiert, als Diktatoren aufzutreten. Natürlich tun das nicht alle Väter, aber wenn, schützt die Familienmitglieder niemand vor ihrer Willkür. Familien sind des Vaters Staat. Die Väter bestimmen über Gewalt, Liebe, Essen oder auch Kleidung. Wenn ein solcher Herrscher abdankt, atmen die Untergebenen erst mal auf. So war es auch bei mir. Meine Familie und ich konnten endlich leben. Frauen wie ich, die mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit gehen, haben oft ähnliches erfahren. Der muss erst einmal weg. Ich hoffe, dass dieses System eines Tages ausstirbt. Und wieder müssen wir fragen: Warum mischt sich der Staat nicht in muslimische Familien ein?


Kritiker werfen Ihnen vor, Sie führten einen Kreuzzug gegen den Islam. Ist Ihre Arbeit eine Rache für Ihre schlechten Erfahrungen mit islamischen Strukturen?


Nein. Gemessen an den Erlebnissen, die mir andere muslimische Frauen schildern, war ich immer ein sehr glückliches Kind. Bis ich zehn war, habe ich ein traumhaftes Leben mit meiner Familie geführt. Erst als wir in Deutschland lebten, wurde mein Vater restriktiver und hat begonnen, zu Hause islamische Methoden anzuwenden. Er hat sich erst verändert, als sich meine Familie emanzipierte, als plötzlich alle arbeiteten und er nicht mehr der Alleinverdiener war. Er hat dann zum Beispiel gefordert, dass wir unser Geld bei ihm abgeben und er es verwaltet. Er verbot mir irgendwann, das Haus zu verlassen. Ich habe andere Väter erlebt, die ihre Kinder nie in die Schule geschickt haben - trotz Schulpflicht. Ich kämpfe gegen so etwas. Nicht, weil ich unter dem islamischen System gelitten habe. Ich habe es letztendlich einfach verlassen.


"Ein Burka-Verbot muss her!"



In einem offenen Brief verschiedener Wissenschaftler hieß es, Ihre Arbeiten bestätigten "billige Klischees" und seien "unseriös". Sie werden von zwei Seiten bombardiert: von der muslimischen und der wissenschaftlichen.



Dass ich Gegenwind erfahren werde, war mir immer klar. Schon an der Universität wollte ich islamkritisch forschen, und es wurde mir nicht erlaubt. Der Mainstream lautet: Wir haben den Islam zu verstehen. Denen geht es nicht um Einzelschicksale oder darum, Familienstrukturen zu analysieren. Sobald ich kritisch nachgefragt habe, war ich ein Rassist. Die Kritik kam also nicht überraschend. Dennoch gab es immer auch Menschen, die mir gesagt haben: "Ja, das ist soziale Realität, das alles erleben wir - in der Schule, im Krankenhaus, beim Sozialamt, im Gefängnis." Deshalb kann ich weitermachen.



Sie sollen Ergebnisse Ihrer Doktorarbeit später umgedeutet haben. 2001 kamen Sie noch zu dem Schluss, die Religion junger Türken sei kein Integrationshindernis.



Ich habe während der Untersuchung immer wieder zu meinen Professoren gesagt: Das, was ich unter jugendlichen Moslems beobachte, gleicht manchmal der Kultur der Neonazis. Sie sind demokratiefeindlich, frauenfeindlich und menschenfeindlich. Diese Jugendlichen sind tickende Bomben. Mir wurde klipp und klar gesagt: "Dann können Sie Ihre Arbeit vergessen. So etwas betreuen wir nicht." Dennoch habe ich meine Bedenken aufgeschrieben. Aber ich habe es anders gesagt: Die Jugendlichen seien dennoch auf dem Weg, ihre eigene Identität zu finden, aber sie brauchen Hilfe dabei. Es sei kein Widerspruch, streng muslimisch zu sein und dennoch in der Demokratie zu leben. Das war schon fortschrittlich. Mehr ging nicht. Ich habe meine Thesen abgeschwächt, um meine Doktorarbeit abschließen zu können. Seitdem gibt es für mich keinen Platz mehr in der Wissenschaft. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man passt sich dem Mainstream an, oder man geht.



In Ihrem neuen Buch .Himmelsreise" schreiben Sie: "Es gibt keinen aufgeklärten Islam", fordern ihn aber. Stirbt Ihre Hoffnung zuletzt?



Eine Aufklärung im Islam kann es nur geben, wenn es aufgeklärte Muslime gibt, die das wollen. Im Moment entwickelt sich der Islam weltweit aber anders. Die öffentlichen Vertreter fordern einen rückwärtsgewandten Islam. Wir werden das in Europa peu à peu merken. Burka, Gebetsräume in Schulen, Moscheen und noch mehr Moscheen - das ist die Realität. Deshalb muss ein Burka-Verbot her, auch in Deutschland. Die Fundamentalisten kontrollieren die Gemeinden, auch deshalb, weil Migranten in Deutschland zu wenig Anerkennung bekommen. Dieser Entwicklung müssen wir Einhalt gebieten. Wir müssen besser aufklären und den Menschen eine Chance geben, in der Demokratie anzukommen.



Frau Kelek, danke für das Gespräch.




Neda Kelek ist in Istanbul geboren und wanderte mit ihrer Familie im Alter von zehn Jahren nach Deutschland aus. Sie studierte Volkswirtschaft und Soziologie in Hamburg und Greifswald und promovierte zum Thema "Islam im Alltag". Die Autorin wurde vor allem durch ihr Buch "Die fremde Braut - ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland" bekannt. Sie ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und setzt sich für die Rechte muslimischer Frauen ein. In diesem Jahr erschien ihr neuestes Buch "Himmelsreise - Mein Streit mit den Wächtern des Islam" im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Darin setzt sich Kelek mit dem islamischen Traditionalismus auseinander. Ihm stellt sie in einer "kleinen Koranschule" eine aufgeklärte Lesart des für Muslime heiligen Buches entgegen, klärt über Entstehung und Hintergründe des Islam auf und will zeigen, dass Kopftuch oder Pflichtgebet mit diesem Glauben unvereinbar sind.
Necla Kelek, Himmelsreise Mein Streit mit den Wächtern des Islam,
Kiepenheuer & Witsch, 272 Seiten, Euro 19,50, ISBN: 978-3-462-
04197-2






3. "Zwangsheirat ist Vergewaltigung"



Die ehemalige Muslimin Sabatina James sollte als junges Mädchen in Pakistan zwangsverheiratet werden. Doch sie konnte fliehen - und hilft seit einigen Jahren Frauen, die ein ähnliches Schicksal haben. Im pro-Interview schildert sie die Lage von Musliminnen.
VON A DREAS DIPPEL



pro: Sie haben 2004 Ihr Buch "Sterben sollst du für dein Glück" veröffentlicht, in dem Sie über Ihre Zwangsheirat in Pakistan, Ihre Flucht und den Beginn eines neuen Lebens im Westen geschrieben haben. Was hat sich seitdem in Ihrem Leben verändert?



Sabatina James: Ich habe aufgrund des Buches viele Anfragen von muslimischen Frauen erhalten, die ein ähnliches Schicksal erlebt und um Hilfe gebeten haben. An einen Brief erinnere ich mich noch gut: Eine Muslimin schrieb mir, dass ihre Freundin gerade in Tunesien ist und mit ihrem Cousin verheiratet werden soll. Ich wusste damals noch nicht, wie ich solchen Mädchen helfen könnte. Nachdem ich mit Politikern über die Situation gesprochen hatte, wurde mir schnell klar: Ich muss selbst tätig werden. 2006 habe ich dann in Harnburg "Sabatina eV." gegründet, den Verein, der sich seitdem um Mädchen kümmert, die zwangsverheiratet werden sollen oder wurden.



Ihr Einsatz hat biographische Gründe: Sie sollten von Ihren Eltern in Pakistan mit Ihrem Cousin zur Heirat gezwungen werden. Wie traumatisch ist solch eine Erfahrung für junge Musliminnen?



Für mich war es nach meiner Befreiung aus den Zwängen meiner Familie und der Partnerschaft mit meinem Cousin anfangs extrem schwer, auch nur berührt zu werden. Die Angst vor Missbrauch saß lange Zeit sehr tief. Unter Männern in Pakistan, meiner Heimat, ist Perversion weit verbreitet, es gibt keinerlei Aufklärung zur Sexualität. Frauen haben keine Rechte, das nutzen die Männer aus. Frauen, die komplett verschleiert sind und nur von ihrem Mann enthüllt werden, empfinden schon diesen Akt als eine Vergewaltigung. Zwangsheirat ist Vergewaltigung auf Lebensdauer.



Wie weit ist Zwangsheirat grundsätzlich in muslimisch geprägten Ländern verbreitet?



"Unicef" geht weltweit von etwa 60 Millionen Kindern aus, die zwangsverheiratet werden. Pakistan etwa ist das Land mit den meisten so genannten "Ehrenmorden'', einer Tat, die unmittelbar mit der Zwangsheirat zusammenhängt. Fügt sich eine Muslimin nämlich nicht dem Willen ihrer Eltern oder Verwandtschaft und geht die Ehe mit einem von ihr selbst ausgewählten Mann ein, schwebt sie in der dauernden Gefahr, für die "Schande-, die sie über die Familie gebracht haben soll, ermordet zu werden.



"Ehrenmorde" kommen auch in Deutschland vor.



Ja, das ist fatal. Ich bin davon überzeugt, dass Integration in westlichen Ländern bei den muslimischen Frauen beginnen muss, Das heißt, sie müssen in ihrer oft fatalen Lebenslage unterstützt werden, Auch in Deutschland wollen Frauen von zuhause fliehen, weil sie zwangsverheiratet werden sollen, Diesen meist jungen Musliminnen muss geholfen werden, weil sie sich integrieren wollen! Integration bedeutet daher nicht, mehr Moscheen zu bauen oder mehr muslimische Kindergärten für mehr Integration zu fördern. Das ist der falsche Ansatz, So wird eine Abkapselung gefördert.



Die Regierungen in Belgien und Frankreich planen derzeit ein Gesetz, dass ein Verbot der Burka für muslimische Frauen vorsieht. Auch hier wird argumentiert, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit eines westlich geprägten Landes nicht abkapseln sollen. Wie stehen Sie zu den Gesetzesinitiativen?



In Pakistan habe ich eine Nikab getragen, eine Verschleierung, die nur die Augen freilässt. Muslimische Frauen, die sich verschleiern, fühlen sich, als ob sie nicht existieren. Sie haben keine Persönlichkeit, dürfen nicht gesehen werden, sie sind unsichtbar, sie sind nichts. Verhüllte Frauen nehmen am öffentlichen Leben nicht teil, werden nie angesprochen. Nur im eigenen Haus können sie kommunizieren, meist mit dem eigenen Mann und ihrer Familie. Hinzu kommen die Gründe für eine Verhüllung: Eine Frau muss nach islamischem Recht eine Burka tragen, damit der Mann durch ihre Schönheit nicht in Versuchung gerät. Das bedeutet: Frauen werden in der muslimischen Welt einzig als sexuelle Objekte behandelt, ihnen wird die Persönlichkeit und ihr Verstand abgesprochen. Und nicht wenige Musliminnen verhüllen sich, um zu zeigen, dass sie sich ihrem Mann unterwerfen. Ich meine daher, dass ein Burka-Verbot ein richtiger Schritt ist.



Ist die Unterdrückung der Frau symptomatisch für den Islam?



Der Koran legitimiert das Schlagen von Frauen. "Wenn ihr fürchtet, dass sich eure Frauen auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie", heißt es in der 4. Sure, Vers 34. Diese Anweisung wird an keiner Stelle des Korans relativiert. Auch die Lebensweise des Propheten Mohammed wird angepriesen, der mit 50 Jahren ein neunjähriges Mädchen geheiratet hat. Das ist das Vorbild für Millionen Muslime weltweit. Natürlich gibt es auch liberale Muslime, die eine Reform der streng islamistisch geprägten Auslegung des Korans anstreben. Doch sie sind in der Minderheit, werden kaum gehört und in der muslimischen Welt nicht beachtet. Andere schauen einfach zu. Hinzu kommt die mangelnde Kritikfähigkeit - der Koran und alle muslimischen Überlieferungen dürfen nicht hinterfragt werden.



Wie viele Frauen unterstützen Sie zurzeit mit "Sabatina e.V."?



Aktuell sind es zehn Frauen, die wir betreuen, Anfragen haben wir von 150. Jährlich werden alleine in Deutschland tausende Frauen zwangsverheiratet, die genauen Zahlen lassen sich nur schätzen.



Wie helfen Sie den Frauen in der Praxis?



Wendet sich ein Mädchen an uns, die zur Heirat gezwungen werden soll, unterstützen wir sie darin, aus ihrer aktuellen Gefahrensituation - in vielen Fällen ihre Familie - herauszukommen. Wir arbeiten meistens sehr eng mit den Schulen, Jugendämtern, Frauenhäusern und dem "Weißen Ring" zusammen, schildern ihnen die Situation und Gefahr. Gemeinsam
ermöglichen wir den Mädchen eine neue Unterkunft, bieten ihnen Schutz
und, ganz wichtig, Begleitung.



Sie verstehen Ihren Verein auch als Beitrag zur Integration. Was fordern Sie von Muslimen in Deutschland?



Wir brauchen einen echten Dialog, nicht nur einen Monolog. Während in Deutschland Moscheen gebaut werden, leiden etwa Christen in muslimischen Ländern aufgrund ihres Glaubens. Christen dürfen nicht in der Bibel lesen, dürfen sich nicht zu Gottesdiensten versammeln. Es geht hier um die Menschenrechte, die in allen Ländern gleichwertig beachtet werden müssen. Doch in den offiziellen Dialogveranstaltungen wird darüber kaum gesprochen. Stattdessen kritisieren Muslime, in Deutschland herrsche eine "Islamophobie", es werde eine unberechtigte Angst vor dem Islam geschürt. Das sind Ablenkungsmanöver, die einem echten Dialog schaden.



Vielen Dank für das Gespräch!




Weitere informationen im internet: www.sabatina-ev.de





Mediathek
Das ZDF zeigte Ende Mai eine Reportage über Sabatina James in der Reihe ,,37 Grad". Außerdem war sie Gast in der Talkrunde bei Markus Lanz, ebenfalls im ZDF. Beide Sendungen finden Sie im Internet in
der "ZDFMediathek"





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