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letzte Änderung 15.01.2010
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Österreich übergibt Golanhöhen - Psychologie statt Nacktscanner

Hintergrund

07. Januar 2010

Österreich übergibt Golanhöhen

Österreich wird ab dem 4. Februar nicht mehr "Besatzer" auf den Golanhöhen sein. Generalmajor Wolfgang Jilke, der österreichische Oberbefehlshaber von 1.047 Soldaten, darunter 385 Militärs aus Österreich, wird heimkehren. Jilke, 1949 in Innsbruck geboren, hat drei Jahre lang einen 75 Kilometer langen Landstreifen, zwischen 9 Kilometer und 250 Meter breit, kontrolliert und beherrscht.

Zu seiner österreichischen Uniform trägt der Generalmajor ein hellblaues Barett mit der Aufschrift "UNDOF". Das sind die UNO-Beobachter in der 1973 zwischen Syrien und Israel auf den Golanhöhen eingerichteten Entflechtungszone. Im österreichischen Hospiz in Jerusalem zog Jilke eine kritische Bilanz.

Seine Truppe unterhält zwischen der Alpha-Linie im Westen und der Beta-Linie im Osten insgesamt 20 Stützpunkte. Die Linien sind mit roten Tonnen gekennzeichnet. Weder israelische noch syrische Militärs dürfen sie überschreiten. Auf dem über 2.800 Meter hohen Hermonberg steht die höchste Position. Um sie im Winter verlassen zu können, wenn alles bei minus 47 Grad eingeschneit ist, wurde eine Luke in das Dach eingebaut. Bei der südlichsten Position im Länderdreieck Syrien, Israel und Jordanien herrschen im Sommer bis zu 45 Grad Hitze.

Zwar verfügt die kleine UNO-Armee über Schneepflüge und wendige gepanzerte Truppentransporter. "Aber in dem unwegsamen Gelände müssen die Soldaten ihre Patrouillen bei den extremen Temperaturen zu Fuß absolvieren. Das zehrt an Mensch und Material." Obwohl im ganzen Nahen Osten die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien auf den Golanhöhen die ruhigste Grenze überhaupt ist, hatte die UNDOF 53 Tote zu beklagen, durch Unfälle und explodierte Minen im ehemaligen Kriegsgebiet. Elf Soldaten verübten Selbstmord.

Früher durften syrische Bauern ihre Felder sogar im israelisch besetzten Gebiet jenseits der roten Tonnen betreten. "Ich habe erreicht, dass syrische Bauern 20 Felder im israelischen Gebiet mit UNO-Begleitung beackern und abernten dürfen." Seit dem Libanonkrieg 2006 lassen die nervösen Israelis das nicht mehr zu. Wenn syrische Bauern auf ihren Feldern östlich der roten Tonnen der Alpha-Linie alte Minen entdecken, werfen sie die ihren ursprünglichen Besitzern zu, den Israelis. Die beobachten das Treiben der Syrer oft nur wenige Meter entfernt. "Das sind die gefährlichsten Situationen. Die Israelis sehen das als Terrorakt. Sie schießen. Wenn dann noch die leicht bewaffneten syrischen Muhabarat-Geheimdienstleute kommen, kann solch ein Zwischenfall leicht zum Krieg eskalieren. Wir müssen als neutrale Truppe sofort zur Stelle sein und die Streithähne entflechten", sagt Jilke.

"Kennlerntouren" für Offiziere

Laut UNO-Mandat dürfen die Blauhelme unter Jilkes Befehl alle zwei Wochen Militärstellungen der Syrer und Israelis betreten, um Soldaten und Waffen zu zählen. Beiderseits der Waffenstillstandslinien sieht das Waffenstillstandsabkommen von 1973 eine beschränkte Militärpräsenz vor. Doch was machen die Blauhelme in der Zwischenzeit? Jilke erzählt schmunzelnd, für seine Offiziere aus Polen, den Philippinen und anderen Ländern "Kennlerntouren" erfunden zu haben. So beobachten sie täglich das Geschehen rund um kritische Militärstellungen.

In dem kleinen österreichischen Königreich im Nahen Osten sei die syrische Zivilbevölkerung zwischen 1974 und 2006 von 5.000 auf 100.000 angewachsen. Die meisten seien Bauern. Im Lazarett auf der syrischen Seite, Camp Fawar, würden in Notfällen auch syrische Zivilisten behandelt. "Wir haben viele Fälle von Kleinkindern mit sehr schweren Verbrennungen am ganzen Körper", sagt Jilke, während er einige schreckliche Bilder auf die Leinwand wirft. "Kleinkinder werden zur Strafe mit kochendem Wasser übergossen. Das ist bei den Syrern offenbar Sitte."

Es gebe keinerlei Kontakt zwischen israelischen und syrischen Militärs. Aber Jilke habe eine Methode entworfen, Botschaften zu übermitteln, obgleich beide Seiten nicht miteinander reden. Die Israelis schreiben einen Brief. Jilke begibt sich zu den Syrern und liest ihnen den Brief vor. Die Syrer weigern sich dann, den israelischen Brief entgegenzunehmen. Jilke lacht: "Die Botschaft kommt trotzdem an, weil ich ja den Brief vorlese." Obgleich beim Thema Sicherheit in dieser Region "selbst der normale Menschenverstand ausgeschaltet wird", gibt es dennoch einen vom Internationalen Roten Kreuz organisierten und von UNO-Soldaten durchgeführten kleinen Grenzverkehr. Bräute, Studenten, drusische Pilger, Verstorbene und 6.000 Tonnen Äpfel drusischer Bauern im israelisch besetzten Golan überqueren den verschlossenen Grenzübergang nahe der zerstörten Stadt Kuneitra.

Jilke bedauert im Privatgespräch, dass die UNO für ihn noch keinen Nachfolger bestimmt habe, denn er würde gerne die von ihm initiierten Projekte ordentlich übergeben. Voraussichtlich werde ein General von den Philippinen das Szepter in der Entflechtungszone übernehmen.

Von: Ulrich W. Sahm (Jerusalem)




Hintergrund

05. Januar 2010

Psychologie statt Nacktscanner

"Wieso stimmt das Namenschild an Ihrem Koffer nicht mit dem Namen in Ihrem Pass überein? Haben Sie den Koffer selber gepackt? War er ständig unter Ihrer Aufsicht? Was war der Grund Ihres Besuches in Israel? Haben Sie Palästinenser getroffen?" Die penetrante Befragung am Flughafen kann unangenehm sein.

Einmal zog sich die Befragung anderthalb Stunden in die Länge. Die Sicherheitsbeamtin konnte nicht verstehen, weshalb ein deutscher Tourist fließend Hebräisch spricht. Am Ende erklärte ich ihr: "Als ich noch jung und schön war, hüpfte ich durch die Betten aller israelischen Frauen. So lernte ich Hebräisch in Nachtkursen." Die junge Frau bekam einen hochroten Kopf und rannte beleidigt zu ihrem Vorgesetzten. Dieser fragte mich höflich: "Do you speak Hebrew?" (Sprechen Sie Hebräisch?) Ich log: "Not a word." (Kein Wort).

Der Vorgesetzte fragte, wieso ich seine Mitarbeiterin beleidigt hätte. "Weil ich keine vernünftigen Antworten mehr zu ihren dummen Fragen fand." Er war zufrieden und drückte den Sicherheits-Aufkleber auf meine Reisetasche. Auf Hebräisch fragte ich ihn, was denn das Theater sollte, zumal ich ihn angelogen hätte. Er lachte: "Wir prüfen, ob ein Passagier verunsichert ist oder Angst hat. Der ist für uns ein potentieller Terrorist." Das ist die komplette Philosophie der israelischen Sicherheitskontrollen. "Menschen machen Fehler. Sie verhalten sich unter Stress anders. Angst und Nervosität kann man ihnen ansehen", sagt Rafi Ron, ehemaliger Sicherheitschef auf dem Ben Gurion Flughafen bei Tel Aviv.

Bei der Einfahrt zum Flughafen fragt ein Sicherheitsbeamter den Taxifahrer, woher er komme. Einige Meter weiter stehen Sicherheitsleute mit dem Finger am Abzug ihres Gewehrs. Beim leisesten arabischen Akzent des Taxifahrers wird sein Wagen auf eine Nebenspur befohlen. Alles wird durchsucht. Eine Nummer wird auf seine Windschutzscheibe geklebt. Ein Aufkleber mit der gleichen Nummer schmückt den Pass des Reisenden. Nach einigen hundert Metern parkt ein Auto mit gelben Blinklichtern, zwei Männern und laufendem Motor in einer Nebenstraße, jederzeit bereit, sich den Taxis in den Weg zu stellen. Vor der Eingangstür des Terminals stehen unauffällige Männer mit ausgebeulten Jacken. Sie werfen prüfende Blicke auf jeden Reisenden. Und drinnen folgt die Befragung.

"Sie kennen doch die Geschichte der Verlobten eines Palästinensers, die seine Familie im besetzten Gebiet besuchen wollte. Die hochschwangere Britin wusste nicht einmal, dass ihr Mann einen Plattenspieler mit Sprengstoff und Höhenmesser in ihren Koffer gepackt hatte." Diese Geschichte von 1986 hört man immer wieder, wenn sich die Sicherheitsleute für ihre penetranten Fragen entschuldigen.

In Frankfurt darf man nicht einmal im aufgegebenen Koffer ein Küchenmesser mitführen. Die Schuhe werden separat durchleuchtet. Flüssigkeiten werden konfisziert. Das gibt es auf dem "sichersten Flughafen der Welt" nicht. In Tel Aviv werden Koffer routinemäßig durchleuchtet, aber nur per Stichprobe genauer untersucht. "Das Leben der Passagiere ist uns wichtiger als deren Menschenwürde", sagte ein Sicherheitsexperte nach dem versuchten Anschlag eines Nigerianers, sich an Weihnachten in einer Northwest Maschine in die Luft zu sprengen. Während Amerikaner und Europäer glauben, mit Nacktscannern, Kofferkontrollen und Metalldetektoren die Sicherheit in Flugzeugen garantieren zu können, verlassen sich die Israelis vor allem auf die Psychologie.

Namen der Israel-Passagiere mit Listen abgeglichen

Ohne Scham werden 25 Jahre alte allein reisende Männer und besonders Araber oder Reisende mit Stempeln arabischer Länder im Pass separat und sehr genau geprüft, nach dem Motto "Nicht jeder Moslem ist ein Terrorist, aber (fast) jeder Terrorist ist ein Moslem." Der Nigerianer hätte es bei der israelischen Methode nicht an Bord des Flugzeugs geschafft, zumal die Namen der Israel-Passagiere schon nach dem Kauf des Tickets mit einschlägigen Listen abgeglichen werden. Derweil lacht man über die neueste Lehre aus jenem Vorfall: Passagiere dürfen sich eine halbe Stunde vor der Landung nicht mit Decken verhüllen. "Dann sprengt der sich halt eine dreiviertel Stunde vor der Landung...", sagte kopfschüttelnd eine Israelin.

Neben sichtbaren Sicherheitsmaßnahmen gibt es noch weitere Methoden. Bis zum 11. September 2001 durfte allein El Al mit einer Sondergenehmigung der IATA (Internationale Luft-Transport-Vereinigung) die Pilotenkanzel während des Fluges verschlossen halten. Es wurde sogar eine zweitürige Sicherheitsschleuse eingebaut, damit der Pilot die Toilette aufsuchen könne. "Der 11.9. wäre mit unseren Maschinen nicht passiert", sagte der El Al Sicherheitschef. "Das Problem ist das Konzept. Wir gingen davon aus, dass ein Flugzeugentführer nicht nur ein anderes Flugziel anpeilt."

Beim Anflug in Istanbul standen Autos mit gelben Blinklichtern vor der Landebahn. Im separaten Terminal in Berlin Schönefeld überhörte ich einen hebräischen Funkspruch: "Schau mal, was sich im Gebüsch bewegt." Israelis fahren vor Start und Landung ihrer Maschinen in Patrouille rund um die Flughäfen im Ausland. Sie suchen nach Terroristen mit geschulterten Flakraketen. Im November 2002 scheiterte in Mombasa der Versuch, eine Arkia-Chartermaschine mit einer Rakete abzuschießen. Sie verpasste das startende Flugzeug nur knapp. Ein Freund von mir saß in jener Maschine und kannte den Piloten: "Der verriet, dass israelische Piloten auf gefährlich eingestuften Flugplätzen eigenwillig eine andere Startbahn benutzen, als vorgegeben. Diese Chutzpe hat uns in Mombasa das Leben gerettet."

Von: Ulrich W. Sahm (Jerusalem)

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