Meine Heimat

Emiine

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Besondere Menschen

JIMI HENDRIX.....und wie man mit musik Menschen durchdringen kann...JIMI HENDRIX.....und wie man mit musik Menschen durchdringen kann...
das ist nicht meine Tante, sieht ihr aber ähnlich...:))das ist nicht meine Tante, sieht ihr aber ähnlich...:))
Meine Tante Safiye Y., die Schwester meines Vaters.

Meine Tante ist eine wunderbare 59 jährige Frau. Als älteste Tochter hatte sie keine leichte Kindheit und Jugend. Und doch erzählt sie über diese Zeit nur die lustigsten Geschichten.
Z. B. wie sie mal am Herd darauf aufpassen musste, dass die Milch nicht überkocht, aber doch lieber spielen wollte. Sie wartete darauf, dass sich die weiße Köstlichkeit in Bewegung setzte…und wartete …und wartete …viel zu lang, ihrer Meinung nach. Was sie auf die Idee brachte, dass die Milch wohl Angst vor ihr hatte und deshalb nicht den Topf hoch wanderte…also duckte sie sich und schaute nur ab und zu ganz vorsichtig über den Rand des Topfes…und es passierte was passieren musste…
Oder einmal, als meine Großmutter ihr das erste Mal erlaubte Maisbrot zu backen. Mit dem Eifer einer 13 jährigen mischte sie Zucker unter den Teig, damit das Brot noch besser schmeckt. Das merkte die Familie natürlich beim Essen und als man sie fragte, ob sie denn Zucker reingemischt hätte, sagte sie:“ Ich weiß ja wohl, dass kein Zucker da rein kommt. Ich habe den Teig nur besonders gut geknetet, deshalb ist das Brot so gut geworden!“ Noch heute schmecken ihre Maisbrote einfach phänomenal.

Aus jeder Situation macht sie das Beste. Durch ihre ausgeprägte soziale Ader ist sie dabei immer um das Gemeinwohl besorgt.

Eine ihrer Töchter kam am ersten Tag des Opferfestes auf die Welt. Am frühen Vormittag wurden die Wehen so stark, dass sie nach der Hebamme im Dorf schickte. Diese kam und untersuchte sie und befand, dass es noch Zeit war um wieder nach Hause zu gehen und nach ihren schon erwachsenen Söhnen zu sehen, die tatsächlich imstande wären, die beste Milchkuh zu schlachten. Diese Frau kannte ihre Pappenheimer sehr gut, denn als sie auf dem Hügel vor ihrem Haus stand führten die Söhne tatsächlich die falsche Kuh aus dem Stall….Nach der ganzen Aufregung und dem beschwerlichen Rückweg zu meiner Tante, kam die Hebamme, asthmakrank wie sie ist(sie ist schon über 90 und immer noch putzmunter), schwer atmend bei ihr an. Safiye sah gleich was los war, holte eine Flasche Kölnisch Wasser und leistete erste Hilfe. Mit der Bemerkung:“ Ich helfe dir jetzt, damit du mir gleich anschließend helfen kannst!“ um dann nach nicht einmal einer Viertelstunde das Baby zur Welt zu bringen.

Schon vierzigjährig wurde ein weiblicher Lehrer an die Grundschule in ihrem Dorf versetzt. Meine Tante, Analphabetin in der römischen Schrift, erkannte sofort die Chance und bat sie um Lese- und Schreibunterricht.
Bald hatte sie ein ganzes Regal voll Bücher. Mein Vater schenkte ihr ein Buch über heilsame Pflanzen und sie erkannte ihre wahre Berufung.

Heute ist sie die Kräuterhexe des Dorfes(sie hat auch wirklich und tatsächlich feuerrotes unbezähmbares Haar, Millionen von Sommersprossen und schielt leicht , sieht aber bei ihr wahnsinnig süß aus. Sie ist klein und hager aber unheimlich zäh. Wenn sie an einem heißen Sommertag an einem vorbeiläuft, freut man sich des kühlenden Luftzuges, den sie verursacht…so schnell ist sie auf den Beinen.) Neben ihren freiwilligen Tätigkeiten als Hebamme, Tierärztin, Krankenpflegerin, Heilerin….das sie alles kostenlos und ohne viel Worte darüber zu verlieren auf bescheidenste Art tut.
Als im Sommer 1999 das große Erdbeben war, erhielt jede noch so verweste, unter den Trümmern gequetschte Leiche die letzte Waschung(ist im Islam so üblich) von ihr.

Was mir am meisten an ihr gefällt ist, dass sie so eine Art Robin Hood ist. Sie scheut sich nicht von denen, die viel haben, durch List und Tücke oder auch einfaches Betteln, so viel wie möglich rauszuholen, um das an die, denen es fehlt, zu verteilen. In den wenigsten Fällen ist das Bargeld. Und dabei weiß sie durch ihre gute Menschenkenntnis genau, bei wem sie welche der o.g. Taktiken sie anwenden muss.

Wenn ich dort bin und jemand fragt mich wer ich bin, zu welcher Sippe ich gehöre, sage ich: Ich bin die Nichte von Safiye“, und jeder weiß bescheid!
Ja, das ist meine Tante….so jetzt gehe ich sie anrufen und erzähle ihr, dass ich sie im Net bekannt gemacht habe….das wird ihr gefallen aber sie wird auf ihre bescheidene und doch verschmitzte Art sagen:“ Was mach ich denn schon Großartiges.Bin nur eine ungebildete Frau, die auf der anderen Seite des Hamza-Berges geboren ist und irgendwann auf dieser Seite sterben wird….ach ja wenn du schon dabei bist, sag den Leuten dort, dass sie überlegen sollen was sie in ihrem Leben entbehren können um das dann denen zu geben, die es dringend brauchen!“
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Ernesto Che Guevara....der Inbegriff des Kampfes für Gleichberechtigung!Ernesto Che Guevara....der Inbegriff des Kampfes für Gleichberechtigung!
Ernesto Che Guevara


Trotz seines militanten Kampfes möchte ich ihm unbedingt diese Seite widmen. Er tat wohl das, was zu seiner Zeit an jenem Ort, getan werden musste.
Was mich so fasziniert ist, dass er selbst aus einer wohlhabenden, sorglosen Familie stammt aber dennoch die Sensibilität für diejenigen aufbrachte, die von Armut und Ausbeutung durch die Gesellschaft, der er angehörte, betroffen waren. Darüber hinaus für seine Sache kompromisslos und selbst eigene, kleinste Vorteile übergehend, einstand.
Trotz des enormen Zeitaufwandes ein immer liebevoller Vater und Ehemann für seine insgesamt fünf Kinder und seine zwei Ehefrauen war. „"Man muss sich abhärten, aber man darf dabei nie die Zärtlichkeit verlieren.“" Über die Erste, einer peruanischen Sozialistin, die ihn mit ihrem Intellekt beeindruckte, sagte er:“ "Zu schade, dass sie so hässlich ist.“

Außerdem für mich der bestaussehendste Revolutionär :)))


Sie dachten, sie könnten ihn auslöschen.
Doch sie schufen eine Legende.
Die Geschichte des Asthmatikers, der auszog, Kuba zu befreien und dann die Ganze Welt.
Der den Unterdrückern zwei oder drei Vietnams schaffen wollte.
Den die Frauen liebten und den die CIA jagte.
Der allein gelassen in der Ferne starb.
Und ein Heiliger wurde.

text Karin Ceballos Betancur


Geboren 14. Juni 1928 in Argentinien. Mit zwei Jahren hat er seinen ersten Asthmaanfall. Eines der ersten gelernten Wörter Ernestitos ist „"Spritze"“. Schon als Jugendlicher härtet er sich mit extremem Sport gegen die Krankheit ab.

„ "Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche"“


Obwohl die Familie dem argentinischen Adel angehörte, stand das Haus der Guevaras Kindern von Bauern, Köchen und anderen „"Normalsterblichen"“ immer offen. Was durchaus keine Selbstverständlichkeit war im klassenbewussten Argentinien der 30er Jahre. Das sollte ihn prägen und seinen, eh schon tief veranlagten, Gerechtigkeitssinn zu seiner Religion machen. Mit Vorliebe verstieß er gegen jedes künstlich aufgestellte Standesgesetz, die das Umfeld seiner Familie diktierte.

"„Bewahrt euch stets die Fähigkeit, jede Ungerechtigkeit, die irgendwo auf der Welt begangen wird, auf Tiefste zu empfinden.“


Nach einer Tour kreuz und quer durch Südamerika, wo Armut und Elend herrscht, keimt in ihm der Wunsch, diese Welt zu verändern. In sein Tagebuch schreibt er(Mit vier Jahren schrieb er bereits den ersten Brief!): „"Dieses ziellose Streifen durch unser riesiges Amerika hat mich stärker verändert, als ich glaubte."“ Er beendet sein Medizinstudium, obwohl er längst weiß, dass er sein hochgestecktes Ziel, Armut und Ausbeutung zu bekämpfen, als Arzt nicht wird erreichen können.

Im Sommer 1955 lernt er in Mexiko den Exilkubaner Fidel Castro, der sich mit einer Gruppe Companeros zusammengetan hat um Kuba von dem Diktator Batista zu befreien,kennen. Ernesto merkt, dass er „seine Sache“ gefunden hat und schließt sich ihnen an. Nach einem harten Training machen sie sich auf eine beschwerliche Reise nach Kuba auf. Nach über zwei Jahren hartem Kampf und nur noch 12 von ehemals 82 Mann, vertreiben sie 1959 am Neujahrstag Batista von der Insel. Ernesto, als Arzt angeheuert, wird während dieser 25 Monate vom Arzt zum Krieger. Den Schlüsselmoment hält er in seinem Tagebuch fest:“ "Wir lagen unter vollem Beschuss, und ich hatte eine Tasche mit Medikamenten und eine Kiste mit Munition vor mir. Ihr Gewicht macht es unmöglich, beide mitzunehmen. Ich nahm die Munitionskiste und ließ die Medikamententasche zurück.“"
Die Kubaner vergöttern ihn. Ein Nichtkubaner, der für ihre Rechte kämpft!! Sie verpassen ihm den Namen „"Che"“ weil er, wie alle Argentinier, nach fast jedem Satz "Che" sagt, was soviel wie „"Hey“" bedeutet.

Er wird zum Wirtschaftsminister!!! ernannt. Es heißt, dass er während einer Versammlung eingenickt war und Castro fragte in die Runde, ob ein economista(Ökonom) unter ihnen wäre. Che, der comunista (Kommunist) verstanden hatte, meldete sich und bekam auch noch die Leitung der Nationalbank. Die Geldscheine signierte er, geldverachtend wie er war, mit „Che“!
Er arbeitet meist 18 Stunden am Tag. Setzt sich oft in unbequemer Position auf den Boden um nicht einzuschlafen. Er ist so korrekt, dass er für die Bereitstellung des Dienstwagens, außerhalb seines Dienstes, zahlt.

Unterstützt von den Amerikanern, tobt in der Sierra del Escambray die Konterrevolution. Im Hafen von Havanna explodiert am 4. März 1960 ein Frachtschiff, das mit 70 Tonnen Waffen beladen ist. 75 Menschen sterben 200 werden verletzt. Es hieß die CIA stecke dahinter.

Das berühmte Bild, das ihr auch oben seht, wird einen Tag später, bei der Trauerfeier der Opfer aufgenommen. Gerade als Che aus der Menge heraustritt um seine Rede zu halten, die er zum ersten Mal mit "„patria o muerte“ (Vaterland oder Tod)" beendet. Schockiert über das, was am Vortag geschah, blickt er traurig und wütend und was ihn am meisten ausmachte, trotzig, über die Menge hinweg. So entstand eines der berühmtesten Porträts der Welt.

Jean- Paul Sartre, der an diesem Tag auch dabei war, sagte über Che:
„"Ich halte dafür, dass dieser Mann nicht nur ein Intellektueller, sondern der vollkommenste Mensch unserer Zeit ist“."

Che bei seiner Rede vor den Vereinten Nationen im Dezember 1964:
"„Die friedliche Koexistenz der Nationen gibt es nicht zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten“"

1965 hat er die Bürokratie endlich satt und macht sich auf, um wieder aktiv für Gerechtigkeit zu kämpfen. In seinem Abschiedsbrief schreibt er:“ "Andere Gebiete der Welt benötigen den Beitrag meiner bescheidenen Bemühungen."“

Während seines Kampfes für die Rechte bolivianischer Bauern wird er im Oktober 1967 von einer, von der CIA geführten, Gruppe gefangen genommen. Das bolivianische Gesetz sieht keine Todesstrafe vor. Doch einen Tag später wird er von einem betrunkenen Unteroffizier, dem es wohl befohlen wurde, mit 9 Kugeln ermordet. Von den Nüchternen wagte es keiner.





Rosa LuxemburgRosa Luxemburg
"Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden"

5. März 2007

Wer in dieser Widmung eine nahtlose Chronik über das Leben und politische Werk der Rosa Luxemburg erwartet, könnte jetzt aufhören weiter zu lesen.
Denn ich werde versuchen, wie kann es anders sein, den Menschen Rosa Luxemburg zu beschreiben.
Dabei gebe ich acht, dass nicht auch ich diese faszinierende Frau für die Propaganda meines eigenen Gedankengutes zu missbrauchen. Wie es jede nur erdenkliche Gruppierung und Untergruppierung der politischen Linke getan hat und immer noch tut.

Rosa Luxemburg geboren am 5. März 1871 in Polen. Bestialisch ermordet am 15. Januar 1919 in Berlin.

Ein unglaublich vielschichtiger Mensch, der die seltene Eigenschaft besaß ausnahmslos für die Einheit von Wort und Tat zu stehen. Sie wollte eigentlich Botanik studieren doch die Ungerechtigkeit in der Gesellschaftsordnung verleitete sie schließlich dazu Wirtschaftswissenschaften in der Schweiz (weil dort damals auch Frauen studieren durften) zu studieren.
Das Lebensziel der Rosa Luxemburg war eine Gesellschaft, in der Gleichheit und Freiheit und Solidarität für jeden zur Selbstverständlichkeit wurde. Um dahin zu kommen war sie zeitlebens bestrebt Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft in ihrem Denken zu emanzipieren, auf dass sie geistig dazu in der Lage waren diese Gerechtigkeit zu bewahren und immer weiter zu vervollkommnen.

"Es war seit jeher den Epigonen vorbehalten, befruchtende Hypothesen des Meisters in starres Dogma zu verwandeln und satte Beruhigung zu finden, wo ein bahnbrechender Geist schöpferische Zweifel empfand."

Sie war eine außergewöhnlich gute Lehrerin. Ihre Schüler beschreiben es immer als einzigartiges Erlebnis ihrem Unterricht beizuwohnen.

Eine ihrer Schülerinnen in der Parteischule, Rosi Wolfstein, berichtet:

"Rosa Luxemburg unterrichtete hier Nationalökonomie (Man ist versucht, „unterrichtete“ in Anführungszeichen zu setzen; so etwas Entgegengesetztes war es, was Rosa Luxemburg als Lehrerin gab.)
Wie sie uns zur eigenen Auseinandersetzung, zur Selbstverständigung mit den nationalökonomischen Fragen zwang? Durch Fragen! Durch Fragen und immer wieder erneutes Fragen und Forschen holte sie aus der Klasse heraus, was nur an Erkenntnis über das, was es festzustellen galt, in ihr steckte. Durch Fragen bekloppte sie die Antwort und ließ uns selbst hören, wo und wie es hohl klang, durch Fragen tastete sie die Argumente ab und ließ uns selbst sehen, ob sie schief oder gerade waren, , durch Fragen zwang sie über die Erkenntnis des eigenen Irrtums hin zum eigenen Finden einer hieb- und stichfesten Lösung.

Manches Mal gab es in der Schule besondere Weihestunden. Das war, wenn der Unterrichtsstoff an Grenzgebiete anderer Wissenschaften grenzte oder in sie hineinragte. Wenn alle Voraussetzungen für die eigene Lösung der Fragen durch die Schüler fehlten, gab Rosa Luxemburg zusammenhängende Darstellungen, manchmal aus der Soziologie, manchmal aus der Geschichte, auch aus der Physik. Wie sie dabei das Wesentliche, worauf es gerade ankam, kristallklar herausarbeitete, wie sie in knapper Darstellung ohne alles rhetorische Beiwerk, rhetorisch geradezu Wundervolles bot, das waren Weihestunden, in denen man das Geistig-Universelle dieser Frau mit frommen Schauder fühlte."

…und dennoch sagte Rosa Luxemburg

Man lernt am besten und am schnellsten, wenn man andere lehrt

Diese Frau hat es trotz politischen Machtspielchen und Intrigen, Anfeindungen gegen ihre Person und ihres Geschlechts, trotz enormen und stetigen Arbeitsaufwand geschafft, auf wunderbare Art die Liebe für Menschen und Umwelt die Liebe zum Leben, ihr eigenes und das der anderen, in seiner reinsten Form in ihrem Innersten zu entwickeln und in jeder noch so unangenehmen Situation zu bewahren…bis zuletzt.

Dazu ein Auszug aus einem Brief, den sie am 24. Dezember 1917, in Haft einsitzend , an Sophie Liebknecht schrieb. Hier kommt noch einmal ganz deutlich ihre unvergleichliche Rhetorik aber vor allem ihre Menschlichkeit durch.
Egal wie oft und in welcher Situation ich diesen Brief lese (ich tu es oft, um wieder einmal einige Dinge zu recht zu rücken oder um Mut zur Freiheit –in welcher Form auch immer- zu bekommen), ich habe es bisher nicht einmal geschafft meine Tränen zurück zu halten… wollte es auch nicht…denn sie sind immer entkrampfend und wohlig öffnend, freimachend…sie sind das, was Rosa Luxemburg immer erreichen wollte…

"…
Jetzt ist es ein Jahr, dass Karl in Luckau sitzt. Ich habe in diesem Monat oft daran gedacht, und genau vor einem Jahr waren Sie bei mir in Wronke, haben mir den schönen Weihnachtsbaum beschert ... Heuer habe ich mir hier einen besorgen lassen, aber man brachte mir einen ganz schäbigen, mit fehlenden Ästen – kein Vergleich mit dem vorjährigen. Ich weiß nicht, wie ich darauf die acht Lichtlein anbringe, die ich erstanden habe. Es ist mein drittes Weihnachten im Kittchen, aber nehmen Sie es ja nicht tragisch. Ich bin so ruhig und heiter wie immer. Gestern lag ich lange wach – ich kann jetzt nie vor ein Uhr einschlafen, muss aber schon um zehn ins Bett – dann träume ich verschiedenes im Dunkeln. Gestern dachte ich also: Wie merkwürdig das ist, dass ich ständig in einem freudigen Rausch lebe – ohne jeden besonderen Grund. So liege ich zum Beispiel hier in der dunklen Zelle auf einer steinharten Matratze, um mich im Hause herrscht die übliche Kirchhofstille, man kommt sich vor wie im Grabe; vom Fenster her zeichnet sich auf der Decke der Reflex der Laterne, die hier dem Gefängnis die ganze Nacht brennt. Von Zeit zu Zeit hört man nur ganz dumpf das ferne Rattern eines vorbeigehenden Eisenbahnzuges oder ganz in der Nähe unter den Fenstern das Räuspern der Schildwache, die in ihren schweren Stiefeln ein paar Schritte langsam macht, um die steifen Beine zu bewegen. Der Sand knirscht so hoffnungslos unter diesen Schritten, dass die ganze Öde und Ausweglosigkeit des Daseins daraus klingt in die feuchte dunkle Nacht. Da liege ich still allein, gewickelt in diese vielfachen schwarzen Tücher der Finsternis, Langeweile, Unfreiheit des Winters – und dabei klopft mein Herz von einer unbegreiflichen, unbekannten inneren Freude, wie wenn ich im strahlenden Sonnenschein über eine blühende Wiese gehen würde. Und ich lächle im Dunkeln dem Leben, wie wenn ich irgendein zauberhaftes Geheimnis wüsste, das alles Böse und Traurige Lügen straft und in lauter Helligkeit und Glück wandelt. Und dabei suche ich selbst nach einem Grund zu dieser Freude, finde nichts und muss wieder lächeln über mich selbst. Ich glaube, das Geheimnis ist nichts anderes als das Leben selbst; die tiefe nächtliche Finsternis ist so schön und weich wie Sammet, wenn man nur richtig schaut. Und in dem Knirschen des feuchten Sandes unter den langsamen schweren Schritten der Schildwache singt auch ein kleines schönes Lied vom Leben – wenn man nur richtig zu hören weiß. In solchen Augenblicken denke ich an Sie und möchte Ihnen so gern diesen Zauberschlüssel mitteilen, damit Sie immer und in allen Lagen das Schöne und Freudige des Lebens wahrnehmen, damit Sie auch im Rausch leben und wie über eine bunte Wiese gehen. Ich denke ja nicht daran, Sie mit Asketentum, mit eingebildeten Freuden abzuspeisen. Ich gönne Ihnen alle reellen Sinnesfreuden. Ich möchte Ihnen nur noch dazu meine unerschöpfliche innere Heiterkeit geben, damit ich um Sie ruhig bin, dass Sie in einem sternbestickten Mantel durchs Leben gehen, der Sie vor allem Kleinen, Trivialen und Beängstigendem schützt.

Sie haben im Steglitzer Park einen schönen Strauß aus schwarzen und rosavioletten Beeren gepflückt. Für die schwarzen Beeren kommen in Betracht entweder Holunder – seine Beeren hängen in schweren dichten Trauben zwischen großen gefiederten Blattwedeln, sicher kennen Sie sie – oder, wahrscheinlicher, Linguster; schlanke zierliche aufrechte Rispen von Beeren und schmale, längliche grüne Blättelchen. Die rosigvioletten, unter kleinen Blättchen versteckten Beeren können die der Zwergmispel sein; sie sind zwar eigentlich rot, aber in dieser späten Jahreszeit ein bisschen schon überreif und angefault, erscheinen sie oft violettrötlich; die Blättchen sehen der Myrte ähnlich, klein, spitz am Ende, dunkelgrün und lederig oben, unten rauh.

Sonjuscha, kennen Sie Platens „Verhängnisvolle Gabel“? Könnten Sie es mir schicken oder bringen? Karl hat einmal erwähnt, dass er sie zu Hause gelesen hat. Die Gedichte Georges sind schön; jetzt weiß ich, woher der Vers „Und unterm Rauschen rötlichen Getreides!“ stammt, den Sie gewöhnlich hersagten, wenn wir im Felde spazieren gingen. Können Sie mir gelegentlich den neuen „Amadis“ abschreiben, ich liebe das Gedicht so sehr – natürlich dank Hugo Wolffs Lied –, habe es aber nicht hier. Lesen Sie weiter die Lessinglegende? Ich habe wieder zu Langes Geschichten des Materialismus gegriffen, die mich stets anregt und erfrischt. Ich möchte so sehr, dass Sie sie mal lesen.

Ach, Sonitschka, ich habe hier einen scharfen Schmerz erlebt, auf dem Hof, wo ich spaziere, kommen oft Wagen vom Militär, voll bepackt mit Säcken oder alten Soldatenröcken und Hemden, oft mit Blutflecken ..., die werden hier abgeladen, in die Zellen verteilt, geflickt, dann wieder aufgeladen und ans Militär abgeliefert. Neulich kam so ein Wagen, bespannt, statt mit Pferden, mit Büffeln. Ich sah die Tiere zum ersten Mal in der Nähe. Sie sind kräftiger und breiter gebaut als unsere Rinder, mit flachen Köpfen und flach abgebogenen Hörnern, die Schädel also unseren Schafen ähnlicher, ganz schwarz mit großen sanften Augen. Sie stammen aus Rumänien, sind Kriegstrophäen ... die Soldaten, die den Wagen führen, erzählen, dass es sehr mühsam war, diese wilden Tiere zu fangen, und noch schwerer, sie, die an die Freiheit gewöhnt waren, zum Lastdienst zu benutzen. Sie wurden furchtbar geprügelt, bis dass für sie das Wort gilt „vae victis“(Wehe den Besiegten) ... An hundert Stück der Tiere sollen in Breslau allein sein; dazu bekommen sie, die an die üppige rumänische Weide gewöhnt waren, elendes und karges Futter. Sie werden schonungslos ausgenutzt, um alle möglichen Lastwagen zu schleppen, und gehen dabei rasch zugrunde. – Vor einigen Tagen kam also ein Wagen mit Säcken hereingefahren, die Last war so hoch aufgetürmt, dass die Büffel nicht über die Schwelle bei der Toreinfahrt konnten. Der begleitende Soldat, ein brutaler Kerl, fing an, derart auf die Tiere mit dem dicken Ende des Peitschenstieles loszuschlagen, dass die Aufseherin ihn empört zur Rede stellte, ob er denn kein Mitleid mit den Tieren hätte! „Mit uns Menschen hat auch niemand Mitleid“, antwortete er mit bösem Lächeln und hieb noch kräftiger ein ... Die Tiere zogen schließ an und kamen über den Berg, aber eins blutete ... Sonitschka, die Büffelhaut ist sprichwörtlich an Dicke und Zähigkeit, und die war zerrissen. Die Tiere standen dann beim Abladen ganz still und erschöpft, und eins, das, welches blutete, schaute dabei vor sich hin mit einem Ausdruck in dem schwarzen Gesicht und den sanften schwarzen Augen wie ein verweintes Kind. Es war direkt der Ausdruck eines Kindes, das hart bestraft worden ist und nicht weiß, wofür, weshalb, nicht weiß, wie es der Qual und der rohen Gewalt entgehen soll ... ich stand davor, und das Tier blickte mich an, mir rannen die Tränen herunter – es waren seine Tränen, man kann um den liebsten Bruder nicht schmerzlicher zucken, als ich in meiner Ohnmacht um dieses stille Leid zuckte. Wie weit, wie unerreichbar, verloren die freien saftigen grünen Weiden Rumäniens! Wie anders schien dort die Sonne, blies der Wind, wie anders waren die schönen Laute der Vögel oder das melodische Rufen der Hirten. Und hier – diese fremde schaurige Stadt, der dumpfe Stall, das ekelerregende muffige Heu mit faulem Stroh gemischt, die fremden furchtbaren Menschen, und – die Schläge, das Blut, das aus der frischen Wunde rinnt ... Oh, mein armer Büffel, mein armer, geliebter Bruder, wir stehen hier beide so ohnmächtig und stumpf und sind nur eins in Schmerz, in Ohnmacht, in Sehnsucht. – Derweil tummelten sich die Gefangenen geschäftig um den Wagen, luden die schweren Säcke ab und schleppten sie ins Haus; der Soldat aber streckte beide Hände in die Hosentaschen, spazierte mit großen Schritten über den Hof, lächelte und pfiff leise einen Gassenhauer. Und der ganze herrliche Krieg zog an mir vorbei ...

Schreiben Sie schnell, ich umarme Sie, Sonitschka.
Ihre R.

Sonjuschka, Liebste, seien Sie trotz alledem ruhig und heiter. So ist das Leben, und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem."




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