Warum nennen wir die Deutsche Sprache nicht einfach spanisch, die spanische nennen wir schwedisch und die schwedische lateinisch.
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Sie haben mir unlängst das "Mini Wörterbuch Assyrisch-Deutsch" von Issa Hanna, herausgegeben 1984 vom Verlag Mesopotamien-Verein E.V., zugänglich gemacht und mich um eine Stellungnahme bezüglich der Verwendung des Begriffs "Assyrisch" gebeten.
Dem komme ich gerne nach, denn als Wissenschaftler muss man seine Stimme erheben, wenn falsche Behauptungen in die Öffentlichkeit getragen werden.
1. Seit einigen Jahrzehnten nennen sich die Sprecher ost-neuaramäischer Dialekte, die ursprünglich im Irak, in Iran und im türkischen Hakkari beheimatet waren, heute aber darüberhinaus in vielen Ländern im Exil leben, selber "Assyrer".
Da diese Bezeichnung inzwischen allgemein akzeptiert wird, ist es zwecklos, sie in Frage zu stellen.
Schliesslich werden die Deutschen auch auf Französisch "Allemands" genannt, obgleich nicht alle Deutschen Allemannen sind, doch der Ausdruck hat eben seit langem durchgesetzt.
Man muss jedoch immer wieder erneut auf die wissenschaftliche Tatsache hinweisen, dass die heutigen "Assyrer" nichts mit den Assyrern der alten Geschichte zu tun haben; weder sind sie deren Nachkommen, noch ist ihre Sprache eine moderne Form des alten Assyrischen.
Assyrisch (zusammen mit Babylonisch auch Akkadisch genannt) ist eine eigenständige semitische Sprache.
die heutigen "assyrischen" Dialekte stammen jedoch von einer anderen semitischen Sprache ab, nämlich dem Aramäischen.
2. Wenngleich sich der Ausdruck "Assyrer" für die aramäisch-sprachigen Christen des Ostens durchgesetzt hat, so sehe ich doch keinen Grund, ihn auch auf die aramäischen Christen des Tur Abdin anzuwenden.
Diese unterscheiden sich von ihren östlichen Brüdern nicht nur durch die Konfession ( sie sind überwiegend syrisch-orthodox), sondern auch durch die Sprache.
Turoyo, die Sprache des Tur Abdin, unterscheidet sich von den heutigen "assyrischen" Dialekten ebenso sehr wie sich z.B. Italienisch von Spanisch unterscheidet, da es sprachgeschichtlich eine ganz andere Entwicklung genommen hat.
Die Italiener würden niemals akzeptieren, dass man ihre Sprache "Spanisch" nennt, und umgekehrt; beides sind aber Sprachen, die einen gemeinsamen Ursprung haben, nämlich Lateinisch.
Ebenso haben Turoyo und das heutige "Assyrisch" einen gemeinsamen Ursprung (Aramäisch), doch es sind heute zwei verschiedene Sprachen.
Wenn die Christen des Tur Abdin sich entschliessen sollten, sich selbst "Assyrer" zu nennen, so ist das ihre Sache.
Ich finde es jedoch untragbar wenn die "Assyrer" sich die kleine Gruppe der Christen des Tur Abdin sozusagen mit Gewalt einverleiben möchten; das wäre dann der gleiche Chauvinismus, unter dem die Christen im Vorderen Orient leiden mussten und immer noch leiden.
Als Sprachwissenschaftler finde ich es auch bedenklich, die Turoyo-Sprache als "assyrisch" zu bezeichnen.
Der Ausdruck "assyrisch" sollte auf die ost-neuaramäischen Dialekte beschränkt bleiben, die das alte aramäische a in seiner Klangfarbe bewahrt haben (beta) und nicht auf die Turoyo-Sprache ausgedehnt werden, in der altes a als o erscheint (bayto).
3. Was jedoch völlig unannehmbar ist und nur als krasse Ignoranz bezeichnet werden kann, ist die Tatsache, dass Issa Hanna das Altsyrische mit der Bezeichnung "Assyrisch" versieht.
Herrn Hannas Wörterbuch enthält kein einziges Wort Assyrisch; es ist ein Wörterbuch des Altsyrischen, auch Klassische Syrisch genannt, also der (hier zitiere ich Carl Brockelmann) "von Edessa ausgegangenen Literatursprache der Christen Nordsyriens und Mesopotamiens".
Ein altsyrischen Wörterbuch als "assyrisch" zu bezeichnen, ist eine Irreführung der Öffentlichkeit und sollte nicht hingenommen werden.