Falls du noch nach einer Erklärung für die verschiedenen Geschlechter suchst... die gibt's ja nicht nur im Deutschen, sondern in vielen Sprachen. Russisch, Französisch, Spanisch, Schwedisch, Griechisch, Hindi, etc. - die alle haben eines gemeinsam: Sie sind Indo-Europäisch!
Das PIE (Proto-Indo-Europäische) hatte damals wohl 3 unterschiedliche Flexionsklassen, d.h. Arten der Beugung für die Nomen. Diese wurden dann alsbald mit "männlich", "weiblich" und - weil's eben nur 2 sexuelle Geschlechter gibt - "sächlich" tituliert. Dass das natürliche Geschlecht (Sexus) da mit dem grammatischen (Genus) meist zusammenfiel, ist (denke ich), mehr oder weniger Zufall, denn eigentlich gibt es ja keinen vernünftigen Grund, warum Gabel weiblich, Messer sächlich und Löffel männlich sein sollten...
Es gibt aber auch einige Wörter, bei denen Sexus und Genus voneinander abweichen: "das Mädchen" z.B., hier ist's auf das Diminutivsuffix (Verkleinerungsendsilbe) -chen zurückzuführen, das das Wort immer sächlich macht. Es gibt aber Sprachen, da ist sogar das Wort "Frau" männlich... ich weiß nicht mehr welche's war... Schottisch oder Bretonisch oder sowas...
Tja... heute sind die Ursprünge der grammatischen Geschlechter weitestgehend im Dunkeln und man kann eigentlich kaum genau sagen, wie es dazu kam. Viele Sprachen der Erde machen's so, dass sie zwischen belebt und unbelebt unterscheiden - das ergibt noch Sinn. Bei Schwedisch sind männlich und weiblich zusammengefallen, so dass es jetzt nur noch die Genera "geschlechtlich" (Utrum) und "ungeschlechtlich" (Neutrum) gibt. Sehr seltsam, das.
Übrigens haben manch afrikanische Sprachen Nominalklassen - das ist ähnlich wie Genera, nur dass diese nicht 2 oder 3 haben, sondern gleich mal 8 oder 16 (je nach dem ob man die Pluralformen als extra Klassen zählt). Krass, was?
Nicht nur bei Schwedisch sind die Geschlechter zusammengefallen. Auch das Finnische kennt diesen Unterschied nicht. Du triffst dich also mit einer "Person" und hast keine Ahnung, wenn du den Namen nicht zuordnen kannst, mit wem du dich verabredet hast. Toll bei blind-dates. ;)
Aber wie wunderschön eine Undifferenzierung sein kann, ganz allgemein, zeigt sich an diesem schönen Satz, an dessen Mehrdeutigkeit ich mich schon eine Zeit lang erfreue:
Ich verliebe mich gerne in Menschen...
Naja, Schwedisch hat ja zumindest noch zwei von dreien behalten. Aber hatte Finnisch denn jemals Geschlechter? Aber stimmt, Finnisch unterscheidet ja noch nicht mal zwischen er/sie/es. :]
Die Mehrdeutigkeit in dem Satz entzieht sich mir irgendwie... :/
Aber einen zweideutigen Satz, den ich mag (der allerdings nur in völliger Klein- oder Großschreibung funktioniert), ist:
SIE HAT IN MOSKAU LIEBE GENOSSEN.
Ein kleine Exkurs über die Doppeldeutigkeit des Satzes "Ich verliebe mich gerne in Menschen":
Auf der einen Seite ist damit unklar, welche sexuelle Ausrichtung ich habe. Verliebe ich mich in Männer, Frauen oder vielleicht doch beides?
Weiters ist durch diese sachte Formulierung auch klar, dass für mich die Frage der sex. Orientierung gar keine Rolle spielt. In wen verliebst du dich? Wurscht, es geht um Gefühle. Alles andere ist unbedeutend.
Ebenso eröffnet sich eine Präferenz zum Fehler: Menschen sind nicht perfekt, die kleinen Macken, die Eigenheiten. Wer sich in Menschen verliebt mag Menschen nicht scheibchenweise, sondern im Ganzen. "Mann" oder "Frau" haben ja auch eine Kodierung mit Eigenschaften, die des Menschen, menschlich zu sein, ist die des Fehlers (grundsätzlich; nicht ausschließlich). Oder wie Melissa es vor kurzem im ILD-Forum so schön textete: "Dein geiles Nicht-Perfektsein, in dass ich so vernarrt bin" Sehr treffend.
Weiters kann dieser Satz auch ausserhalb einer erotischen Ebene gelesen werden ("verlieben" ist ja nicht zwangläufig erotisch kodiert; man kann ja sprachgebräuchlich auch in sein Auto verliebt sein oder in sein Haustier oder in den Duft von Rosen, usw...) und eröffnet damit einen Zugang zu Humanität und dem Bekenntnis zu Menschen an sich.
Ich mag Menschen (obwohl ich sie tendentiell lieber beobachte als mitten im Tummel zu sein).
Das alles lese ich in "Ich verliebe mich gerne in Menschen" - die Mehrdeutigkeit erschließt sich daher nicht aus einem Sprachspiel, sondern durch die Möglichkeiten der Aufladung des Satzes. Und das genieße ich hier sehr...
Aaaah, jetzt versteh ich!
Ich dachte, die Mehrdeutigkeit läge irgendwo in der Syntax vergraben (so wie beim tollen englischen Satz "Time flies like an arrow... but fruit flies like a banana."), nicht in der Semantik. Alles klar. :)
Musst du ja auch nicht. :)
Aber du könntest ja anfangen, über die Bedeutungsschattierungen diverser Sätze nachzudenken...
Sehr interessant ist auf dieser Ebene das Modell von Schulz von Thun (siehe: http://www.ibim.de/techniken/6-2.htm).
Sehr leicht zu verstehen und sehr informativ...
.. mir muss wirklich langweilig sein, ich hab mir das nämlich tatsächlich durchgelesen. ;-)
*ähm* Was verstehst du unter "leicht zu verstehen"? *grins* Entweder ich bin zu blöd dafür, oder es ist die Uhrzeit, das ich nicht mehr klar denken kann. Gut, ich schau mir das noch mal in Ruhe an.
danke, für die ausführliche Antwort! Nach dem 3 x durchlesen habe ich´s dann sogar verstanden :-) (mit 15 Jahren ist das Vokabular halt noch nicht so groß ;-))
Aber echt erstaunlich, dass du das alles so genau weißt!