Reinen Herzens haben wir uns beide
Im Anblick des Meeres niedergesetzt.
Du warst schüchtern wie ein großes Kind
Das noch nie Gide gelesen hatte.
Die Nacht war sanft wie die Nacht
Ich aber kalt wie die erste Frau.
Wir verharrten am Rande der Zeit
Am Rand des Begehrens und der Frau in mir.
Du, ein Mann, und ich, ein junges Mädchen:
Steif und ruhig
Wie man es zuweilen mit zwanzig sein kann.
Ich, der Gide gelesen habe,
Kehre oft zurück nach Raguenès
Um deinen fliehenden Augen wieder zu begegnen,
Um deinen wilden, bebenden Mund wieder zu finden.
Heute bin ich sanft wie die erste Frau
Doch die Nächte sind kalt wie die Nacht.
Dabei würde ich dich heute abend küssen,
Wunderbare Küsse, mit dem Salzgeschmack
auf unserer Haut
Dich, der du über die Meere Irlands fährst
In den heftigen Umarmungen der Wellen gefangen
Weit weg von meinen zwanzig Jahren
Und dem sanften Strand, an den du mich führtest
Um nach dem Märchentier zu suchen
Das du nicht gezeigt hast.
Und du?
Kommst du manchmal an diesen Ort
Und trauerst dem Kuß nach, den wir uns
nicht gegeben haben?
(Benoîte Groult – „Salz auf unserer Haut“ 1988)
P.S.: Hallo Giovanna, leider bin ich dem Italienischen nicht mächtig
und kann diesen Brief nur in der deutschen Übersetzung posten. Ich
finde, daß er zu Deinem Forum sehr gut paßt.
Lg,
Tom
